
Als Rundbau macht das Kirchengebäude nicht nur optisch auf sich aufmerksam. Das Gotteshaus hat auch seine ganz eigene Geschichte – der Hintergrund zum Schauplatz des Pfingstgottesdienstes 2025.
Als die Gemeinde Wiesbaden entstand, regierte in Deutschland noch ein Kaiser. Seine regelmäßigen Besuche machten die Stadt als Kurort bekannt. Und im Gefolge siedelten sich die Reichen und Schönen an und errichteten Prachtbauten, Villen und Wohnhäuser, die heute noch das Stadtbild prägen.
Eine ganz andere Klientel versammelt sich gegen Ostern 1898 in einem Hinterhofgebäude: Arbeiter, Handwerker, Kleinbürger. Es war das erste Kirchenlokal der damals noch so genannten „Apostolischen Gemeinde in Wiesbaden“. Zehn Jahre lang feierten sie hier Gottesdienst.

Jahrzehnte auf Achse
Umzüge prägten die Folgejahre: So fanden die Gottesdienste in einer ehemaligen Schreinerei, in einem Tanzsaal und in einer früheren Salbenmanufaktur statt. Gastweise kam die Gemeinde von 1925 bis 1928 sonntagnachmittags in einer anglikanischen Kirche unter.
Die Wanderjahre endeten 1932, als das Gebäude einer ehemaligen Freimaurerloge erworben wurde. Per Umbau entstand das erste eigene Gotteshaus samt Pfeifenorgel und Buntglasfenstern. Zwischenzeitlich entstanden Tochtergemeinden in den Stadtteilen und im Umland.
Auf der Suche nach Platz
Bald beschleunigte sich das bislang solide Wachstum vor Ort, besonders als nach dem Zweiten Weltkrieg viele Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten nach Wiesbaden kamen. 1953 zählte die Gemeinde rund 760 Mitglieder. So begann 1955 die Suche nach einem Standort für einen Neubau.
Fündig wurde die Gemeinde zwischen einem Altersheim und einem Diakonissenstift. Anfang 1957 kaufte die Kirche das Grundstück. Bevor die Bauarbeiten beginnen konnten, waren im wahrsten Sinne des Wortes noch einige Steine aus dem Weg zu räumen.


Steiniger Weg zum Neubau
Vorbesitzer war ein Steinmetz gewesen. Und die Gemeinde hatte sich verpflichtet, seinen Betrieb umzuziehen – inklusive tonnenschweren Rohmaterials. Unterstützung gab’s dabei mit schwerem Gerät von der US-Armee.
Geplant war ein eindrucksvoller Rundbau mit 24 Metern Durchmesser und einer Höhe von gut 11 Metern. Ursprünglich sollten auch Büroräume für die Verwaltung der Neuapostolischen Kirche in Hessen hinzukommen. Warum das dann doch nicht realisiert wurde, ist nicht bekannt.
Ein Veto und sein Gegenteil
Und dann droht der Bauantrag zu scheitern. Das Bauaufsichtsamt legte im Juli 1957 sein Veto ein: „Der Rundbau ist städtebaulich nicht begründet! Die Gesamtanlage fügt sich nicht in die vorhandene Bebauung ein.“
Nur 15 Jahre später klang das dann ganz anders. Der Kirchenbau wurde unter Denkmalschutz gestellt. Er zählte gleich in doppelter Hinsicht zu den schutzwürdigen Bau- und Kulturdenkmälern der Stadt – sowohl als charakteristisches Bauwerk der 50er-Jahre wie auch als Teil des Ensembles der anderen Gebäude in der Straße.



Ein heiliger Berg in Hessen
Einige anstrengende Gespräche hatte es gebraucht, um grünes Licht zu bekommen. Rund anderthalb Jahre lang waren die Bauarbeiter am Werk – und bis zur Einweihung im Jahr 1959 noch nicht ganz fertig. 750.000 Mark hatte die Kirche investiert, was an Kaufkraft heute etwa zwei bis drei Millionen Euro entspricht.
Das Kirchengebäude spielte – vor allem in der Zeit von Bezirksapostel Gottfried Rockenfelder – eine weit über Wiesbaden hinausgehende Rolle. Auch heute erfüllt das Gotteshaus noch eine Zentralfunktion, etwa für die Ämtergottesdienste des Apostelbezirks oder jetzt den weltweit ausgestrahlten Pfingstgottesdienst 2025.


Dieser Artikel basiert auf dem Kurzvortrag zum 125. Jubiläum der Gemeinde und auf der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Kirchengebäudes.
Fotos: Jessica Krämer, NAK Hessen/Rheinlandpfalz/Saarland, Zentralarchiv NAK Westdeutschland