Kirche sagt „Ja“ zur Frau im Amt
Erstmals in ihrer 160-jährigen Geschichte hat die Neuapostolische Kirche die Frage nach der Frauenordination lehrmäßig beantwortet – und zwar mit „Ja“: Gründe und Hintergründe für einen „bedeutenden Übergang in unserer Tradition“.
Die Entscheidung fiel am Nachmittag des 2. Juni 2022: „Frauen können aufgrund der Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit der Geschlechter vor Gott mit Amtsvollmacht und Amtsauftrag betraut werden.“ So verabschiedete es die Bezirksapostelversammlung in Buenos Aires. Seitdem ist viel passiert.
Stammapostel verkündet Beschluss
Die Entscheidung und ihre Grundlagen sind mit den rund 330 Aposteln besprochen worden. Lehrmaterial und Schulungsunterlagen waren zu verfassen. Und eine Videoansprache entstand, um den Glaubensgeschwistern in aller Welt den Beschluss vorzustellen und zu erklären.
So gab Stammapostel Jean-Luc Schneider bei der Sendung heute bekannt: „Das Apostolat – die Apostel in der Einheit mit dem Stammapostel – entscheidet, dass Frauen aufgrund der Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit der Geschlechter mit Amtsvollmacht betraut werden können.“ Das gilt für alle Amtsstufen und alle Leitungsfunktionen. Der entsprechende Amtsauftrag wird überall erteilt, wo es Gesellschaft und Gemeinde annehmen.
Ein Punkt, der offen geblieben war
Diese Entscheidung hat nichts mit Geschlechterdebatten zu tun, die international sowieso unterschiedlich ausfallen. Vielmehr war die Kirche in der Fortschreibung ihrer Lehre auf jeden Fall an dem Punkt angekommen, wo die Frage zu beantworten war: Wer kann ein Amt tragen?
Schon Stammapostel Richard Fehr hatte begonnen, die neuapostolische Lehre zu klären und auszuformulieren. Sein Nachfolger Wilhelm Leber führte das fort bis zur Veröffentlichung des Katechismus. Und Stammapostel Schneider übernahm den Staffelstab für einen offenen Punkt: das Amtsverständnis.
Ab 2014 befassten sich die Bezirksapostel mit den Grundsatzfragen: Was ist ein Amt? Was passiert bei der Ordination? Wie strukturieren sich die Leitungsfunktionen? Daraus entwickelte sich die Reform der Ämterstruktur, die 2019 in Kraft trat. Und nach dem „Was“ und dem „Wie“ kam nun das „Wer“ an die Reihe.
Auf dem Prüfstand der Bibel
Klar, traditionell beruft die Neuapostolische Kirche eigentlich nur Männer. Doch eine richtige lehrmäßige Begründung dafür geben die kirchlichen Schriften nicht her. Das Thema gehörte auf den Prüfstand – und zwar den der Bibel. Denn Geschlechterpolitik oder Staatsverfassungen können theologische Fragen nicht beantworten.
Die erste Frage an die Bibel: Was will Gott? Da gibt die Schöpfungsgeschichte eine klare Antwort. Frau und Mann sind gleichwertig als Ebenbild Gottes geschaffen. Sie haben die gleiche Verantwortung. „Dieser Befund ist Grundlage dafür, dass beiden Geschlechtern Amt und Dienst in der Kirche und der Ortsgemeinde anvertraut werden können“, sagt der Stammapostel im Video.
Zweite Frage: Was sagt Jesus? Leider nichts Konkretes. Er behandelt Frauen zwar besser als die meisten Männer seiner Zeit, beruft aber dennoch nur Männer zu Aposteln. Sonst hätte das Evangelium wohl nicht in den Synagogen gepredigt werden können. Aber: „Weder Worte noch Taten Jesu liefern einen eindeutigen Grund dafür, warum wir dem eindeutigen Schöpfungswillen Gottes zuwider handeln sollten“, heißt es in der Ansprache.
Die dritte Frage: Was lehren die Apostel? Da ist das Neue Testament widersprüchlich. Mal sollen die Frauen im Gottesdienst prophetisch reden. Mal sollen sie in der Gemeinde schweigen. „Einzelne ablehnende Aussagen in neutestamentlichen Briefen sind keine hinreichende Begründung, Frauen vom Amt auszuschließen“, lautet hier das Fazit.
Mehr Informationen folgen
Damit lag die Entscheidung beim heutigen Apostolat. Denn Christus hat den Aposteln die Vollmacht gegeben, das Gemeindeleben zu ordnen.
„Ich bin mir bewusst, dass diese Entscheidung einen bedeutenden Übergang in unserer Tradition markiert“, sagt der Kirchenleiter in der Videoansprache. „Und mir ist auch klar, dass ihr jetzt noch viele Fragen habt.“ Aber: „Wir werden alle Fragen beantworten: in unseren Medien, in Schulungen oder im Dialog.“
„Ich danke euch ganz herzlich für eure Aufmerksamkeit und eure Geduld, hier und heute, aber auch in den vergangenen Monaten“, betont Stammapostel Schneider. „Es war wichtig, dass wir ausreichend Zeit hatten, diese wichtige Frage zu klären.“
Die offizielle Bekanntmachung der Neuapostolischen Kirche ist auf deren Leitseite nak.org zu lesen. Dort finden sich auch Fragen und Antworten zum Thema.
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Schlagworte:
Andreas Rother
20.09.2022
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