„Das Entscheidende ist die Predigt vor Ort“

Die „Leitgedanken“ suchen einen Redakteur – eine Stellenausschreibung, die Fragen aufwirft: Ja, schreiben da nicht die Apostel? Warum braucht es die Predigthilfe? Und warum ist sie so, wie sie ist? nac.today hat nachgehakt.

Die Gesprächspartner sind: Apostel Jürgen Loy als Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Leitgedanken“, Reinhard Kiefer als theologischer Berater und verantwortlicher Redakteur sowie Simon Heiniger, als Stabsleiter in der internationalen Kirchenzentrale unter anderem verantwortlich für das internationale Projektmanagement.

Mal so ganz frech vorneweg – wofür braucht es überhaupt die Leitgedanken?

Kiefer: Die Leitgedanken sind ein großes Band, das die apostolische Weltkirche verbindet. Wir haben kulturell und sozial weltweit gesehen gar nicht so viel gemeinsam. Aber den Katechismus und die Leitgedanken haben wir alle gemeinsam.

Loy: Das Evangelium Jesu ist universal, es ist eine Botschaft über alle kulturellen Unterschiede hinweg. Die Artikel der Leitgedanken sind von Aposteln geschrieben, so soll auch sichergestellt werden, dass in jeder Gemeinde das Evangelium „apostolisch“ gepredigt wird. Natürlich in unterschiedlichsten „Formen und Farben“.

Und was leisten die Leitgedanken?

Kiefer: Zuerst wird der Inhalt des Bibeltextes dargestellt. Und dann kommt die Übertragung in unser Lehrgebäude, was lehrt die Kirche, die zeitgemäße Interpretation. Das berücksichtigt den Katechismus und die aktuellen Ausarbeitungen.

Wir haben auch Leute, die gar keine Bibel zur Verfügung haben. Ja, das ist gar nicht überall selbstverständlich. Insofern braucht es da schon eine Leitlinie. Sonst besteht die Gefahr, dass keine Inhalte transportiert werden, sondern bestenfalls Gefühlslagen.

Aber müssen diese Texte so spröde sein?

Loy: Leitgedanken sind keine ausformulierte Predigtvorlage. Das ist ein verbreitetes Missverständnis. Die Leitgedanken sind die Grundlage, auf der die Geistlichen ihre Predigt aufbauen. Die Ausführungen müssen weltweit übertragbar sein, in all den verschiedenen Sprachen und Kulturen, in denen unser Glaube zu Hause ist. Deshalb sind sie einigermaßen abstrakt gehalten.

Heiniger: Wir vergleichen dies mit dem Bild eines Baumes: Der Bibeltext und die Botschaft sind der Stamm, die einzelnen Aspekte die Äste und Zweige. Verwurzelt mit unserer Lehre und inspiriert durch den Heiligen Geist entwickeln sich in der Vorbereitung beim Prediger Gedanken und Impulse … erst dann wird der Baum grün und lebendig.

Und wo kommt diese lebendige, frische Predigt dann her?

Kiefer: Das kann nur vor Ort stattfinden, die Inkulturation, dass der Text zu einer afrikanischen Predigt wird, zu einer asiatischen oder kanadischen Predigt oder einer argentinischen Predigt. Man kann dem Dienstleiter auch sagen: „Eigne dir die Lehre an, eigne dir die Leitgedanken an und dann guck auf deine Gemeinde und auf ihre Befindlichkeiten und Bedürfnisse.“ Nicht nur was in den Leitgedanken steht, ist das Entscheidende, sondern was der Dienstleiter daraus macht, ist das Entscheidende. Das ist die Predigt vor Ort.

Okay, es wurde erwähnt, dass die Autoren Apostel sind. Aber wozu sucht man nun einen Redakteur?

Loy: Apostel werden durch die Ordination nicht zu Theologen. Deshalb haben wir ja auch heute schon theologische Beratung. Genauso ist nicht jeder Apostel als Autor begabt. Auch da ist eine gewisse Unterstützung sinnvoll. Das findet ebenfalls bisher statt. Aber wir wollen nun, gemeinsam mit dem bisherigen Team, die Zukunft vorbereiten.

Bedeutet dies, dass es perspektivisch Änderungen in der Form der Leitgedanken gibt?

Heiniger: Das liegt in der Verantwortung des Stammapostels, gemeinsam mit den Bezirksaposteln gibt er hier den Takt vor. Aber unsere Kirche hat ja bereits bewiesen, offen und fähig für Entwicklung zu sein. So wichtig wie die Leitgedanken ist auch der Umgang mit ihnen. Hier bieten viele Gebietskirchen gute Fortbildungen an, auch zum Thema Predigtvorbereitung. Zudem wird aktuell daran gearbeitet, auch den Geistlichen, welche aktuell keinen Zugang zu Weiterbildung haben, diesen unabhängig von Zeit und Ort zu ermöglichen.

Wer die Stellenausschreibung liest, fragt sich durchaus „Wer soll das alles können?“. Gefühlt sucht die Kirche einen Alleskönner?

Heiniger: Es könnte durchaus scheinen, als würden wir einen ausdauernden Sprinter oder alternativ den schnellen Dauerläufer suchen. Uns ist bewusst, dass wir auch Fähigkeiten beschreiben, welche nicht alle eine Person allein haben kann. Es gibt schon jetzt eine Arbeitsgruppe, welche auch bestehen bleiben wird. Der Stellenbeschrieb gibt das Gesamtbild wieder. Manches Wissen wird man sich On-the-Job aneignen können. Jedoch ist das Thema zu wichtig, als dass wir es als eine Art Wundertüte gestalten ... sowohl für uns als auch für alle Bewerber.

Loy: Wissen allein ist keine Garantie für Kompetenz. Was wir auf jeden Fall suchen, ist Sicherheit und Kreativität in der Textgestaltung und breites Wissen über unsere neuapostolische Lehre, verbunden mit einem guten theologischen Grundverständnis. Bei allem ist ganz wichtig: die unmittelbare Zusammenarbeit mit dem Stammapostel gewährleistet, dass das „Lehramt“ der Kirche auch seinen entsprechenden Ausdruck findet.

Wie die „Leitgedanken“ im Detail entstehen, das erläuterte diese Videoreihe und zum Beispiel dieser Artikel.

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Andreas Rother
23.02.2024
Personalien, Medien, International