„Eine Kirche ohne Grenzen und ohne Mauern“

Verschlossene Kirchentüren, Gottesdienste auf YouTube, Mund-Nase-Schutz am Altar: Die Pandemie hat das kirchliche Leben ordentlich durcheinandergewirbelt. Das Corona-Jahr 2020 – eine Chronik der Ereignisse.

Es begann alles ganz langsam: „Keine Panik, aber angemessene Hygiene“, lautete die Devise noch Anfang März. „Häufiges, gründliches Händewaschen.“ Und: „Die Gläubigen entscheiden selbst über ihre Teilnahme am Gottesdienst.“

Und plötzlich waren die Türen zu

Die Vorgaben verschärften sich, als die Weltgesundheitsorganisation am 11. März die Pandemie ausrief:„außerordentliche Handhygiene … bei Erkältungssymptome gebeten, von einem Gottesdienstbesuch abzusehen … auf eine Begrüßung und Verabschiedung per Handschlag und Umarmung verzichten“.

Und dann ging alles ganz schnell in der turbulenten elften bis zwölften Kalenderwoche: Erst machten die Kirchenlokale in Italien dicht, dann in Deutschland und Kanada, quasi im Tagesrhythmus folgten Südostasien, Südamerika, Niger, Westpazifik, die USA und die Demokratische Republik Kongo.

Wie der Gottesdienst zum Gläubigen kam

„Wenn der Gläubige nicht zum Gottesdienst kommen kann, dann kommt der Gottesdienst zum Gläubigen.“ – Unter diesem Motto stampften die Gebietskirchen überall Gottesdienst-Übertragungen aus dem Boden: Nordamerika und Südafrika hatten mit Streaming-Portalen beziehungsweise eigenem Fernsehsender einen gewissen Vorsprung. Andernorts wurde YouTube zum sonntäglichen Treffpunkt für Kirchgänger. Die aktuellen Links gibt‘s seitdem jede Woche auf nac.today – bis heute die meistgeklickten Beiträge.

Andere Wege mussten die Gebietskirchen gehen, in denen nur ein Bruchteil der Menschen überhaupt oder ausreichend Internet-Zugang hat. In der Demokratischen Republik Kongo Südost etwa gingen die Amtsträger von Haus zu Haus, hielten eine Kurzandacht und feierten Heiliges Abendmahl. Zur Verstärkung hatte die 1,8 Millionen Mitglieder starke Gebietskirche sämtliche zu Ruhe gesetzten Amtsträger reaktiviert.

Gemeindeleben widersteht der Krise

Die Streaming-Gottesdienste etablierten sich und stießen sogar auf das Interesse der Medien. Zudem kümmerte sich die Kirchenleitung auch um geistliche Impulse für die Zeit zwischen den Sonntagen und stellte regelmäßig Vorlagen für Andachten zu Verfügung. Weil die gemeinschaftliche Feier des Heiligen Abendmahls ausgesetzt werden musste, drosselten und stoppten die drei großen Hostienbäckereien in Deutschland, Sambia und Südafrika ihre Produktion.

Unterdessen zeigten die Kirchenmitglieder, was in ihnen steckt. Vielen Freiwillige investierten Energie und Freizeit, um das Gemeindeleben am Laufen zu halten. Kinderunterrichte, Ämterstunden und selbst die Bezirksapostelversammlung verlagerten sich in Videokonferenzen. Chorproben und Musikvorführungen fanden virtuell statt. Und fünf junge Deutsche konnten mit dem Webbaukasten „meinegemeinde.digital“ bei einem Regierungswettbewerb staatliche Anschubfinanzierung ergattern.

Der lange Weg zurück ins Gotteshaus

Für viele Menschen ist die Corona-Krise nur noch eine Notlage mehr, die sie bewältigen müssen. Vor allen Dingen in den Ländern des globalen Südens geht’s längst um die Existenz. Die neuapostolischen Hilfswerke wirkten nach Kräften daran mit, das Schlimmste zu lindern. Das stellte die Helfer vor ganz neue Herausforderungen, die sich nur mit ungewöhnlichen Ideen meistern ließen.

Im späten April begann die Kirchenleitung die Möglichkeiten für eine Wieder-Öffnung der Gemeinde auszuloten und arbeitete an Richtlinien dafür. Es sollte, wenn überhaupt, aber noch bis in den Juni hinein dauern, bis vielerorts wieder Präsenz-Gottesdienste stattfinden konnten. Die Teilnehmerzahlen sind begrenzt, um die vorgeschriebenen Abstände einzuhalten. Sicherheitsmarkierungen, Schutzmasken, Desinfektionsmittel bestimmen das Bild in den Kirchschiffen.

Allerdings: In Südamerika konnte nur etwa sechs Prozent der Gemeinden wieder öffnen. Und in Österreich waren die Gotteshäuser im Rahmen eines Lockdowns Anfang Dezember erneut verschlossen. Derweil steigen die Fallzahlen – die Lage bleibt angespannt. Doch die Kirche ist gerüstet. Das Ergebnis formulierte ein Mitdienender in einer der frühen Video-Gottesdienste: „„Es fühlte sich an, wie eine Kirche ohne Grenzen und ohne Mauern.“

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