„Mir ist es wichtig, für Menschen da zu sein“

Tamara Hainz aus der Gemeinde Lauffen am Neckar (Deutschland) engagiert sich seit einigen Jahren ehrenamtlich in der Hospizarbeit. Die 24-Jährige erzählt von ihrem Engagement und den damit verbundenen Erlebnissen.

„Wow! Ich könnte das nicht.“ Das ist die häufigste Reaktion, die Tamara hört, wenn sie sagt, was sie macht. Man sei einerseits beeindruckt, andererseits traue man sich selbst die Hospizarbeit nicht zu. „Weil es ein existentielles Thema ist und ich das Gefühl habe, dass viele Menschen, vor allem in meinem Alter, sich damit einfach nicht beschäftigen wollen. Oder vielleicht können sie auch nicht. Und dass das Thema am liebsten gar nicht an sich heranlassen werden möchte“, erklärt Tamara. Dabei habe sie selbst die Erfahrung gemacht, dass sich durch die Hospizarbeit die eigene Einstellung zum Thema „Sterben und Tod“ geändert hat. Es falle ihr leichter, mit dem Thema umzugehen. „Meine größte Hilfe ist mein Glaube. Das Leben hört mit dem Tod nicht auf. Ich weiß zwar nicht genau, was danach kommt, aber ich weiß, dass etwas kommt und es sicher gut wird, davon bin ich überzeugt. Das bestärkt mich und hilft mir, keine Angst zu haben.“

Der Weg zum Hospiz

Ein Hospiz ist eine Einrichtung, in der Sterbende und deren Angehörige begleitet werden. Die Hospizbewegung begann 1967 mit dem St. Christopher´s Hospice bei London (England) und breitete sich von da international aus.

Tamaras erste persönliche Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod kam, als ihr Opa nach längerer Krankheit verstarb. „Ich war damals 17 Jahre alt und habe erlebt, wie schwer es ist, einen nahestehenden Menschen zu verlieren. Gespräche mit anderen Personen ließen mich leichter darüber hinwegkommen.“

Nach ihrem Abitur nahm sich die damals 19-Jährige ein Jahr Zeit, bevor sie ein Studium der Sonderpädagogik begann. In dieser Zeit besuchte sie den Vorbereitungskurs für Ehrenamtliche in der Kinderhospizarbeit, mit dem ihr Engagement in dem Bereich startete. „Mir war es schon immer wichtig, für Menschen da zu sein, etwas mit und für Menschen zu tun. Und die Arbeit mit Kindern hat die größte Auswirkung, finde ich.“ Ein Jahr zuvor hatten Tamaras Eltern die Ausbildung für Ehrenamtliche in der Hospizarbeit absolviert. „Aus unseren Gesprächen habe ich bereits einiges über diese Tätigkeit gewusst und habe mich länger mit dem Gedanken beschäftigt“, erzählt sie.

Bindungen aufbauen

Seit dem intensiven Vorbereitungskurs wird Tamara in der Begleitung eines Kindes im Grundschulalter eingesetzt. „Seine Mama ist schwer krank. Aufgrund ihrer Krankheit kann sie für ihr Kind nicht immer da sein beziehungsweise nicht so verlässlich, wie es für das Kind gut wäre.“ Einmal in der Woche am Nachmittag kümmert sich Tamara um das Kind. Sie erzählt: „Die Begleitung war von Anfang an sehr aktiv, das Kind hat es gebraucht: Draußen herumrennen, Fußballspielen, ins Schwimmbad gehen. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, auf die seelischen Bedürfnisse des Kindes achtzugeben: Was belastet das Kind? Denn es geht dem Kind mal besser, mal schlechter – das ist oft abhängig vom Zustand der Mutter. Sich Zeit für das Kind und seine Bedürfnisse zu nehmen – auch das Kind mal auszuhalten, wenn es wütend ist –, das alles gehört zur Betreuung.“

„Die Beziehung, die ich zu dem Kind aufgebaut habe, ist sehr wichtig für uns beide. Für mich, weil ich es besser verstehe, und für das Kind, weil es sich auf mich verlassen kann“, berichtet Tamara.

Loslassen können

„Es kann leicht passieren – bei mir zum Glück nicht, das haben wir gut geschafft –, dass die Grenzen verschwimmen, dass man als ehrenamtliche Person zu sehr zu einem Teil der Familie wird und als Freundin der Mama oder sogar als Ersatzmama gesehen wird“, sagt Tamara und bringt es auf den Punkt: „Das Ziel ist aber, als externe Person stundenweise in der Familie zu sein, Zeit und Nähe zu schenken, zu helfen – und dann zurück in sein eigenes Leben zu gehen“, berichtet Tamara, „dass ich es kann, hat sich auch erst gezeigt, als ich mit der Begleitung begonnen habe.“ Die Autofahrt nach Hause nach einem Nachmittag als Hospiz-Ehrenamtliche ist für Tamara wichtig. „Ich fahre nicht gleich los, ich bleibe eine Weile sitzen und gebe mir Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten“, sagt sie und ergänzt: „Mir hilft auch meine eigene Familie, die mich sehr stärkt.“

In ihrem Engagement fühlt sich Tamara nicht allein. Wenn sie Bedarf hat, kann sie jederzeit die hauptamtlichen Hospizmitarbeiter ansprechen. „Sie kennen uns Ehrenamtliche sehr gut und haben auch einen guten Blick dafür, wer welcher Familie, in welcher speziellen Lebenssituation zugeteilt werden kann“, sagt Tamara. Sie selbst habe sich direkt nach der Ausbildung die Hospizbegleitung einer erwachsenen Person nicht zugetraut. Durch die Betreuung eines Kindes einer schwerkranken Mutter sammelte sie erste Erfahrungen.

„Es kommt bei der Begleitung darauf an, ob man auf einer Wellenlänge ist“, erzählt Tamara. Das ehrenamtliche Engagement habe sie persönlich reifen lassen. „Zudem habe ich gemerkt, wie wichtig es für mich ist, meine gesamte Familie als Unterstützung zu haben. Mir ist klar geworden, wie sehr es mich erfüllt, für Menschen da zu sein. Das ist wirklich mein Ding.“


Dieser Artikel ist in einer ausführlicheren Version ursprünglich in der Zeitschrift „Unsere Familie“, Ausgabe 04/2022 erschienen.

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