Bielefeld, die neuapostolische Hochburg

Der erste Gottesdienst für Entschlafene in diesem Jahr führt Stammapostel Jean-Luc Schneider nach Bielefeld/Deutschland. Dort, am Nordostzipfel von Nordrhein-Westfalen, fanden bereits 1868 erste neuapostolische Gottesdienste statt. nac.today zeichnet ein Portrait dieser neuapostolischen Hochburg.

1868 war das Leben anders als heute: ländlich orientiert, wenig Mobilität, vom Lebenskampf geprägt. Der ehemals reformierte Prediger Friedrich Wilhelm Menkhoff kommt aus den Niederlanden in seine westfälische Heimat und siedelt sich in Bielefeld an. Hier gibt es zu der Zeit Fahrrad- und Textilfirmen, Menschen haben Arbeit, bauen Häuser und besuchen ihre Gottesdienste in zahlreichen Kirchen. Menkhoff ist Mitte der 1860er Jahre der „Apostolische Zending“ (deutsch: Apostolische Mission) beigetreten und predigt nun in Westfalen davon, dass Jesus Christus wiederkommen werde und zuvor erneut Apostel in die Welt gesandt habe. Er war in Holland mit dem Apostel Friedrich Wilhelm Schwartz zusammengetroffen, der ihn schwer beeindruckt haben muss und ihn nach Westfalen sendet. Einige Menschen folgen dieser Lehre und werden apostolisch. Eine Gemeinde entsteht – zuerst in Quelle vor den Toren Bielefelds und kurz darauf in der Stadt selbst.

Die Heimat von Hermann Niehaus

Noch heute ist dieses Gebiet neuapostolische Hochburg. Der Kirchenbezirk Bielefeld ist der größte innerhalb der Gebietskirche Nordrhein-Westfalen. Zwar ist die Zahl der Gemeinden im Lauf der Jahre auch kleiner geworden, dafür aber liegen sie eng beieinander. Für die rund 360.000 Einwohner zählende Stadt sind es neun Gemeinden mit rund 4.000 Glaubensgeschwistern auf dem engeren Stadtgebiet. Quelle, das Dorf vor den Toren der Stadt, gibt es immer noch. Dort war Stammapostel Hermann Niehaus zuhause, hier steht sein Haus neben der heutigen Kirche Quelle. Auf dem Dorffriedhof liegt er begraben.

Menkhoffs Grab liegt in Bielefeld. Die dortige Gemeinde Bielefeld-Mitte wurde jahrelang von einem seiner Nachfahren geleitet. Gemeindemitglieder mit den Namen Niehaus oder Menkhoff sind noch heute zahlreich und engagiert. Und es gibt noch weitere Bielefelder Spezialitäten:

Hostienbäckerei und Altkirche

Die Hostienbäckerei Bielefeld versorgt seit Jahrzehnten die neuapostolischen Gemeinden mit Abendmahlshostien – jahrelang alle Gemeinden weltweit; heute gibt es weitere Bäckereien in Afrika. Allein im Jahr 2001 wurden etwa 240 Millionen Hostien in die ganze Welt verschickt. Für die kleine Hostienbäckerei hieß das Schichtarbeit. Dann kamen zwei neue Produktionsstätten in Kapstadt (2003) und in Lusaka (2012) hinzu. Damit reduzierte sich die Menge nach und nach auf heute etwa 115 Millionen Stück pro Jahr.

Bielefeld nennt noch ein weiteres Schmuckstück sein eigen: die neuapostolische Gemeinde in Bielefeld-Schildesche versammelt sich in einem Gebäude, das auf eine jahrhundertelange Geschichte zurückblicken kann! Im heutigen Denkmal geschützten Gotteshaus feierte eine kleine katholische Gemeinde 1688 den ersten Gottesdienst. Viele Jahrzehnte stand die alt-ehrwürdige Kirche leer, bevor 1950 die neuapostolische Gemeinde dort einzog, zuerst zur Miete, seit 1987 im Besitz der Kirche.

Andacht in Quelle

Am Samstag vor dem Gottesdienst für Entschlafene ist für den Stammapostel eine meditative Andacht in der Gemeinde Quelle vorbereitet. Sie ist von Jugendlichen konzipiert worden und wird von ihnen auch moderiert. So lernt das internationale Kirchenoberhaupt den Hauch der Geschichte direkt vor Ort kennen, wenngleich das heutige Kirchengebäude in Quelle natürlich modern und funktional ist, so doch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Niehaus’schen Anwesen. Der Gottesdienst am Sonntag wird in der Stadthalle des westfälischen Provinzzentrums stattfinden. Stammapostel Schneider hat als besonderen Gast Bezirksapostel Urs Hebeisen aus den Philippinen eingeladen.



Foto Zentralarchiv NAK Nordrhein-Westfalen: Apostelversammlung in Bielefeld im Jahr 1926

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