Sehen, was andere hören

Reden mit vollem Körpereinsatz: So sieht Gebärdensprache aus. Nicht hörende Menschen sehen, was hörende Menschen hören. In vielen neuapostolischen Gemeinden gibt es Gottesdienstangebote für Gehörlose.

Felix Frobel (38) aus Marburg (Deutschland) ist Förderschullehrer und einer der Ansprechpartner für die neuapostolischen Gehörlosenangebote. Für ihn ist Inklusion nicht nur ein Wort: „Gottesdienste und Seelsorge in Gebärdensprache sind ein wichtiger Beitrag auf dem Weg in eine inklusive Kirche, in der sich alle willkommen fühlen – auch wenn sie Beeinträchtigungen haben.“ Mittlerweile, so der begeisterte Gehörlosenbetreuer, sind sogar zwei gehörlose Priester in Deutschland tätig. Sie gestalten mit vielen weiteren Ehrenamtlern ein barrierefreies Angebot in allen Gebietskirchen.

Sprache durch Gebärden unterstützt

Die Gebärdensprache für gehörlose Menschen ist eine ganz eigenständige visuelle Sprache. Es gibt eine amerikanische, französische oder auch die chinesische Gebärdensprache, genauso wie die Deutsche Gebärdensprache (DGS) mit Berliner, Hamburger, Münchner und anderen Dialektformen. Visuell ist sie deshalb, weil der Sprecher die Worte malt – mit seinen Händen. Wird ein hörender Mensch für Gehörlose übersetzt, kommen begleitende Gebärden hinzu. Die Lautsprache wird veranschaulicht: Was der Hörende hört, sieht der Gehörlose durch Gestik und Mimik. Töne werden sichtbar gemacht. Das ist alles höchstkompliziert: Gebärden sind nach der Form und Stellung der Hände, nach Ausführungsort und Bewegung klar strukturiert und werden nach festen Regeln ausgeführt. Die DGS verfügt über ein umfassendes Lexikon und eine ausdifferenzierte Grammatik. Damit kann sie prinzipiell dasselbe leisten wie jede Lautsprache, sogar abstrakte Zusammenhänge erklären.

Zentrale Gottesdienste für Hörgeschädigte

Am kommenden Sonntag stehen Gehörlosengottesdienste in Lich und Hannover im Kalender, am Sonntag drauf in Euskirchen, Zeulenroda und Hamburg. Solche Zentralgottesdienste in Gebärdensprache gibt es regelmäßig. Dabei wird sowohl die Predigt mit „Lautsprache begleitenden Gebärden“ (LBG) als auch die Simultanübersetzung in die „Deutsche Gebärdensprache“ (DGS) praktiziert.

Ziele der „AG Hörgeschädigte“

Neuapostolische Gottesdienste mit unterstützenden Gebärden gibt es mittlerweile in vielen Gemeinden. Das hängt auch damit zusammen, dass sich eine zentrale Arbeitsgruppe dieser Angebote angenommen hat. Seit 2002 existiert die „AG Hörgeschädigte“. Mit Fachkompetenz und Erfahrung erarbeiten die Mitglieder das richtige Angebot. Einmal im Jahr trifft sich die Gruppe zu einer Tagung. Ihre Ziele liegen auf der Hand: Informationen über das Thema Hörgeschädigten-Seelsorge an die Kirchenleitung weiterleiten und Unterlagen zur Vereinheitlichung der Hörgeschädigten-Seelsorge erarbeiten. Die Gruppe macht auf die Bedürfnisse der Hörgeschädigten aufmerksam und setzt sich für eine Verbesserung der Kommunikation ein.

Gebärdenchor

Gemeinde lebt vom Mitmachen – deshalb werden in allen Hörgeschädigten-Gemeinden die Gottesdienste von einem Gebärdenchor umrahmt. Die in der Neuapostolischen Kirche üblichen Liedtexte werden mit und ohne Musik in Gebärdensprache sichtbar gemacht. Mancherorts ist daraus eine schöne Form der Gebärdenpoesie erstanden.

Eine eigene Zeitschrift „Echo“ wird in der nordrhein-westfälischen Redaktion erarbeitet. Sie erscheint bereits zum zweiten Mal und wird ebenfalls auf der Webseite zum Download angeboten.

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Peter Johanning
15.09.2016
Gottesdienst, Gemeindeleben