Seelsorge (02): Sich mal richtig Sorgen machen

Sich um den Nächsten zu sorgen – das funktioniert nur mit Fokus auf das Wesentliche. Wie das gelingen kann, das hat Jesus Christus vorgemacht: Seine Seelsorge in sieben Ansätzen.

Die Sorgen der Menschen sind vielfältig: Essen, Wohnung, Arbeit, Sicherheit und Frieden in der Welt – jedes Jahr erscheinen in den Ländern umfangreiche Statistiken über die lebensbestimmenden Ängste. Diese Besorgnisse, aber auch das Streben nach Auskommen und Lebensunterhalt, kannte bereits Jesus Christus. Sein Rat: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen“ (Matthäus 6,33). Unschwer erkennbar: Seine Sorge galt den Seelen, sein Blick war in allem auf das ewige Leben gerichtet.

Seelsorge ist identitätsstiftende Lebensaufgabe

Sich die richtigen Sorgen zu machen, das ist Bedürfnis und Aufgabe der Seelsorge zugleich. Ein exzellentes Vorbild dafür war der Gottessohn. Niemand verstand es besser, sich dem Nächsten zuzuwenden, seine Not wahrzunehmen und ihn zu stärken und zu begleiten. Für ihn war das nicht nur ein temporäres Herzensbedürfnis, sondern Lebensaufgabe – bis zum Kreuz und darüber hinaus. Das hat er selbst klargestellt: „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ (Lukas 19,10) und „Solange ich bei ihnen war, erhielt ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, und ich habe sie bewahrt“ (Johannes 17,12a).

Seelsorge geschieht vielseitig – aber immer mit Liebe

Sich die richtigen Sorgen zu machen und in diesen Sorgen den Nächsten zu begleiten, das hat Jesus Christus erklärt und umgesetzt:

  • Seelsorge wendet sich zu. Niemand ist ausgeschlossen, jedermann ist wertgeschätzt und jede Seele ist der Sorge wert. Die Unterhaltung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Johannes 4), das Hausgespräch mit dem verachteten Zöllner Zachäus (Lukas 19), das Mahl mit Levi und seinen unliebsamen Arbeitskollegen (Markus 2,13–17) machen es deutlich: Jesus setzt sich über Konventionen hinweg. Ihn interessiert weder gesellschaftliches Ansehen, das Meinungsbild der Umgebung noch der eigene Nutzen – ihm geht es um die Befindlichkeit des Nächsten.
  • Seelsorge stiftet Frieden. „Friede sei mit euch!“ – Jesus Christus beginnt oder beendet das seelsorgende Zusammensein mit dem Friedensgruß. Mancher Gesprächsbeginn wühlt die Gesprächspartner auf (wie bei der Erscheinung nach der Auferstehung, Lukas 24,36–43), mancher Aufruf lässt Ohnmacht erahnen (so etwa beim Sendungsbefehl, Johannes 20,19–23). Aber Jesus will nicht verunsichern, sondern schenkt in allen Situationen Ruhe und Sicherheit.
  • Seelsorge lehrt Gottes Willen. Seelsorge rückt die wesentlichen Dinge in den Vordergrund. Das Schwergewicht liegt auf Gottes Liebe und seinem Willen. Seelsorge ist glaubwürdig, wahrhaftig, aufrichtig, und immer wieder unterschiedlich intensiv: Pilatus erfährt kurz und bündig: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Johannes 18,36), Suchenden wie Nikodemus tritt Jesus theologisch erklärend entgegen (Johannes 3) und den Schriftgelehrten kontert er zielgruppengerecht und deutlich, indem er sie mit dem eigenen Gesetz konfrontiert (Matthäus 23,23).
  • Seelsorge unterstützt den Nächsten. Die Not des Nächsten ist die Not des Seelsorgers. Jesus nimmt wahr, leidet mit, wendet die Verhältnisse. Den verstorbenen Jüngling weckt er auf, gibt ihn als Sohn und Versorger seiner Mutter zurück (Lukas 7,11–15), den Gelähmten vergibt er die Sünden und heilt ihn (Matthäus 9,2–7) und in der Rede vom Weltgericht macht Jesus deutlich, dass auch seine Jüngerinnen und Jünger die Not des Nächsten wenden sollen (Matthäus 25,31–40). Denn das, was sie tun, tun sie ihm, Jesus Christus selbst. Und das zeigt auch: Seelsorge ist mehr als „Du schaffst das!“
  • Seelsorge weist auf die Macht des Gebets hin. Oft hat Jesus die Macht des Dialogs mit Gott bekräftigt. Er hat seinen Nächsten das Beten gelehrt (Matthäus 6,5–13) und sie zu Zuversicht im Gebet ermuntert (Lukas 11,9–13, Lukas 18,1–8). Seelsorge bedeutet nicht, die eigene Überlegenheit und Stärke zu demonstrieren, sondern den Nächsten in seiner Kraft zu stärken.
  • Seelsorge richtet auf. Stärken, trösten, aufbauen – das ist Kern von Seelsorge. Jesus Christus ging es nicht darum, andere an den Pranger zu stellen noch um Bestrafung oder Urteil. Er wies auf Sünde hin, mahnte und entließ den Sünder unbestraft (Johannes 8,2–11). Seelsorge richtet nicht, Seelsorge richtet auf.
  • Seelsorge kontrolliert nicht. Seelsorge bedrängt den Nächsten nicht, weder physisch noch psychisch. Sie erklärt, unterstützt – aber sie fordert nicht, drängt nicht, kontrolliert nicht. Nach der Unterweisung des reichen Jünglings zieht sich Jesus zurück und überlässt die weitere Entscheidung dem jungen Mann (Matthäus 19,16–26). Mit Blick auf seine erfolglose seelsorgerische Tätigkeit in Jerusalem klagt er leise vor der Stadt, ohne Nachfolge oder Gehorsam einzufordern (Matthäus 23,37–39).

„Sich mal richtig Sorgen machen“ – das hat Jesus vorgelebt. Nicht nur einmal, sondern sein ganzes Leben. Es war seine Lebensaufgabe, es war seine Identität. Er hat sich richtig Sorgen gemacht, und er hat sich die richtigen Sorgen gemacht.



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Oliver Rütten
04.05.2020
Gemeindeleben