Ein Skeptiker als Vorbild

Ein Zweifler, einer, der anscheinend scheiterte, weil er nicht bis zum Ende durchhielt! Manches Mal diente er in der Geschichte als Antiheld. – Dabei hat er so vieles richtig gemacht.

Sechs Monate vor der Geburt Jesu kommt ein Junge auf die Welt. Die Eltern gelten als hochbetagt und unfruchtbar und werden doch Mutter und Vater: Elisabeth und ihr Mann Zacharias, Priester aus der Ordnung der Abija. Ihren Sohn nennen sie Johannes (Lukas 1). In der Bergstadt Kerem, sieben Kilometer westlich von Jerusalem, wird der Wegbereiter Jesu geboren; so schlussfolgern die Bibelwissenschaftler heute.

Das eigene Leben umkrempeln

Johannes wächst in der Bergregion heran, lebt jahrelang ein einfaches Leben in der Wüste, ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig und kleidet sich mit Kamelhaar-Gewand und Ledergürtel; die Kleidung der Büßer und Armen. Ein Asket, über dessen Kindheit und Jugendzeit nicht viel bekannt ist.

Mit etwa 27 Jahren folgt er seiner Berufung, kündigt unüberhörbar für seine Zeitgenossen das Kommen des Messias an (Lukas 3). Er ruft zu Buße und Umkehr auf, tauft mit Wasser und reiht sich mit seinem Tun in den Kreis umherziehender Prediger ein. Im Laufe der Jahre fällt Johannes der Täufer immer wieder durch seine drastische Rede auf; schließlich stellt er nicht nur die Taufe mit Wasser in den Vordergrund, sondern verweist auch auf die kommende Taufe mit Heiligem Geist (Matthäus 3,11).

Jesus den Vortritt gewähren

Dabei schafft er es, nicht selbst zum Idol heranzuwachsen. Konsequent verweist er auf Jesus Christus: „Er [Jesus] muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ (Johannes 3,28–30). Und er freut sich, wenn die Menschen Jesus annehmen.

Unbeirrt zieht Johannes durch die Wüste, predigt jordanaufwärts in Änon, dann östlich vom Jordan und trifft unter den Taufbewerbern auf den 30-jährigen Jesus; nach anfänglichem Widerspruch tauft er auch den Gottessohn.

Bei allem geht es ihm nicht um Äußerlichkeiten, nicht um eigene Vorteile. Die Rahmenbedingungen erscheinen dabei mehr als nachteilig: die Einsamkeit in der Wüste, fehlende Mittel, ärmliche Verhältnisse und dann auch noch die Diskussionen mit den eigenen Jüngern, die ein Abwerben der Jünger durch Jesus befürchten. Johannes schafft Ruhe, regelt die scheinbaren Ungereimtheiten.

Im Zeugenstand wortgewaltig auftreten

Dabei sind Johannes‘ Worte und sein Handeln so herausragend, dass die Menschen aus Jerusalem und dem ganzen Land zu ihm hinaus an den Jordan gehen. Sein Zeugnis ist so überzeugend, dass sich immer mehr Menschen taufen lassen (Matthäus 3,5). Er gewinnt eine große Menge – für Jesus.

In seinem Zeugnis kommt Johannes wieder und wieder auf den Punkt: Jesus Christus ist der Erlöser, der die Menschen in die Gemeinschaft mit Gott führt (Johannes 1,29.36). Die Sünde verhindert das Näheverhältnis zu Gott und muss beseitigt werden. – In seinem Zeugnis konzentriert er sich auf das Wesentliche der Frohbotschaft und lässt Jesus nicht als Prediger guter Sitten oder Wunderheiler erscheinen.

Wissbegierig über den menschlichen Verstand hinaus

Johannes der Täufer predigt vor allem das Gericht und noch nicht die Gnade durch Jesus Christus (Lukas 7,19–23). Er versteht nicht alle Zusammenhänge, kennt nicht den vollen Umfang des Evangeliums. Manches erscheint im unklar, Zweifel kommen auf, die er nicht vollends lösen kann.

Aber er steht konsequent für die Einhaltung der Gebote Gottes ein, nimmt kein Blatt vor den Mund. Als er Ehebruch und zweite Heirat des Herodes Antipas anprangert, wird er auf der Festung in Machärus am Toten Meer gefangengenommen und letztlich auf Wunsch von Herodes‘ Stieftochter hingerichtet.

Was wird aus diesem werden?

Vor 2000 Jahren fragten die Nachbarn nach der Geburt Johannes des Täufers: „Was wird aus diesem Kindlein werden?“ (Lukas 1,66). – Er wurde jemand, der Jesus Christus den Weg bereitete, wie niemand zuvor. Er wurde einer, der sein Leben für Jesus Christus umkrempelte; einer, der mit seinem Zeugnis nachhaltig für Jesus Christus begeisterte. Und er wurde einer, der Vorbild sein kann für Christen im 21. Jahrhundert.


„Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen“ – das Bibelwort aus Johannes 3,30 war Grundlage für den Bibelkunde-Gottesdienst im Juni 2021. Ein intensiver Blick in die Historie, auf gesellschaftliche Zusammenhänge wie auch die Frage nach der Übertragbarkeit in den persönlichen Alltag, das macht dieses besondere Gottesdienst-Format aus. Neben den Zusammenkünften an kirchlichen Feiertagen sind es die Bibelkunde-Gottesdienste, in denen Bibellesungen zu hören sind.

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Oliver Rütten
08.07.2021
Bibelkunde, Bibel , Gottesdienst