Wer Augen hat, der höre

Sehen, was gepredigt wird, zeigen, was gesungen wird. Die Gebärdensprache macht Sprache und Musik greifbar – auch in Sonntagsschule und Gottesdienst.

„Durch Gebärdensprache gehört jeder ganz natürlich dazu“, lautet das gemeinsame Motto des Internationalen Tages der Gebärdensprachen und der Internationalen Woche der Gehörlosen vom 23. bis 30. September 2018. Beim ersten Gehörlosen-Kongress am 21. September 1951 gründete sich in Rom (Italien) der World Federation of the Deaf (WFD), der Weltverband der Gehörlosen. Und immer am letzten Sonntag im September findet der Gedenktag statt.

Hörgeschädigten-Tage in Deutschland

Unter den 80.000 Gehörlosen in Deutschland sind auch neuapostolische Christen. Sie kommen in Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz zu monatlichen Gottesdiensten zusammen, und alle zwei Jahre – wie Ende August in Berlin-Brandenburg – zu den Hörgeschädigten-Tagen. Eine Besonderheit in den Neuapostolischen Kirchen: Zu den Gottesdiensten sind nicht nur Gehörlose, sondern alle Glaubensgeschwister und Freunde mit Hörbeeinträchtigungen eingeladen.

250 Teilnehmer waren vergangenen Monat zu Freizeitaktivitäten und einem Gottesdienst mit Bezirksapostel Wolfgang Nadolny und Apostel Wolfgang Schug (Westdeutschland), dem Vorsitzenden der Projektgruppe Inklusion zusammen. Der jüngste Teilnehmer ist gerade einmal sieben Jahre alt, der älteste bereits über 90 Jahre.

Gottesdienste mit Gebärden

Diese besonderen Gottesdienste werden deutschlandweit und auch in der deutschsprachigen Schweiz angeboten. „Je nach Region finden die Gottesdienste mit Gebärdensprache etwa einmal monatlich statt. Dabei wird sowohl die Predigt mit Lautsprache begleitenden Gebärden (LBG) als auch die Simultanübersetzung in die Deutsche Gebärdensprache (DGS) praktiziert“, erklären die Organisatoren.

Innerhalb der Gebietskirchen bilden diese Glaubensgeschwister eigene Gemeinden, mit Vorstehern, Priestern und Diakonen. Das seelsorgerische Angebot beschränkt sich dabei nicht nur auf Gottesdienste, sondern bezieht auch die individuelle Seelsorge mit ein. In einigen Regionen finden auch Religions- und Konfirmandenunterrichte für hörgeschädigte Kinder statt.

Amtsträger mit Fortbildung

Möglich ist das durch Amtsträger, die sich für diese Aufgabe fortbilden. Ein Großteil dieser Seelsorger ist nämlich nicht selbst betroffen und auch nicht als Angehöriger mit dem Thema Gehörlosigkeit konfrontiert. Vielfach ist es einfach nur der Wunsch gewesen, zu helfen, zu unterstützen. Holger Strewinski, einer der Öffentlichkeitsmitarbeiter der Hörgeschädigten im deutschsprachigen Raum, erklärt: „Von einer Fortbildungsmaßnahme in Nordrhein-Westfalen vor einigen Jahren mit 100 Betreuerinnen und Betreuern sind immer noch 70 aktiv.“ Und so fährt dann auch einmal ein Dolmetscher quer durch die Bezirke, um für ein Kind den monatlichen Kindergottesdienst zu dolmetschen oder den Religions- und Konfirmandenunterricht zu ermöglichen.

Organisation über Gebietskirchengrenzen hinweg

Die hörgeschädigten Glaubensgeschwister bilden nur eine kleine Gruppe, die jedoch ein besonderes Angebot braucht. „Um mit vorhandener Fachkompetenz und Erfahrung das richtige Angebot zu erarbeiten, bestand von 2002 bis 2018 innerhalb der Gebietskirchen die Arbeitsgruppe Hörgeschädigte. Sie setzte sich aus Verantwortlichen der Gebietskirchen zusammen und beriet über alle Themen, die die Arbeit mit Hörgeschädigten betrafen. Dabei wurden insbesondere Unterlagen zur Vereinheitlichung der Hörgeschädigten-Seelsorge erarbeitet, zum Beispiel Liturgietexte in Gebärdensprache und die Umsetzung glaubensbezogener Gebärden.“ 2018 hat die neu gegründete Projektgruppe Inklusion diese Aufgaben übernommen.

Gebärdenpoesie

In den Hörgeschädigten-Gottesdiensten kommen auch immer wieder Chöre zum Einsatz. Sie tragen Liedtexte mit und ohne Musik in der Gebärdensprache vor. „Mancherorts ist daraus eine schöne Form der Gebärdenpoesie erstanden“, erklären die Organisatoren. „Herr, mein Gott, ich traue auf dich“, gebärdet der kleine Chor im Video.

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