Karfreitag heute, anno domini 2016
Der Karfreitag ist ein trauriger Tag. Oder nicht? Jesus starb, damit die Menschen leben. So gesehen ist Karfreitag ein Feiertag der Liebe Gottes – gerade zu Menschen, die selbst leiden müssen.
Jesus wurde gegeißelt, heißt es. Das bedeutet, dass ihm Schmerzen zugefügt wurden – man schlug ihn, peitschte ihn aus, schubste ihn, schrie ihn an, bedrohte ihn. Schließlich töteten sie ihn. Folterungen dieser Art sind heute verboten, sie verstoßen gegen die Charta der Menschenrechte. Und doch gibt es auch heute viele Menschen, die Leid durchleben.
Hier einige wenige Beispiele aus der Seelsorge:
- Beispiel 1 - Flüchtlinge: Die Zahl der Flüchtlinge, die momentan durch Europa ziehen, ist groß. Eine regelrechte Völkerwanderung hat eingesetzt. Menschen aus vielen Ländern werden umhergeschubst, geraten in das Netz von Schlepperbanden, verlieren neben Hab und Gut auch ihren Glauben an die Menschlichkeit. So auch Hakim (Name durch die Redaktion geändert), der 18-jährige syrisch-orthodoxe Christ, der erst in Europa lernen konnte, dass ein öffentliches Gotteslob möglich ist. Er fand Zugang in einer christlichen Gemeinde und beginnt mühsam, dort anzuknüpfen, wo er einst aufhörte. Er betet sogar schon wieder.
- Beispiel 2 - Kinder: Kinder sind in einer Gesellschaft immer schutzwürdig. Aus ihnen erwächst die Zukunft. Die Vereinten Nationen haben sich die Reduzierung der weltweiten Kindersterblichkeit als ein Millenniumsziel gesetzt. Starben 1990 noch 12,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren, lag 2012 die Zahl bei 6,6 Millionen. Lungenentzündung, Durchfall und Malaria sind die häufigsten Todesursachen. In den so genannten Industrieländern sterben etwa 0,7% der Kinder vor ihrem fünften Geburtstag. Darunter auch Max (Name durch die Redaktion geändert), der kleine Knirps, der gleich nach seiner Geburt noch im Kreißsaal durch den Priester getauft wurde und kurz danach starb. Mehrere Löcher im Herzen waren sein Todesurteil. Die Eltern waren froh, ihn für wenige Minuten erlebt zu haben.
- Beispiel 3 – Frauen: Frauenrechte sind Menschenrechte. Doch allen Erklärungen, Vorgaben, Beschwörungen zum Trotz, werden auch heute noch Frauen wegen ihres Geschlechts diskriminiert. So wie Efe (Name durch die Redaktion geändert), die Frau aus dem Senegal. Insgesamt 15 Mal wurde sie vergewaltigt und ist dadurch schwer traumatisiert. Nur langsam schafft sie es, sich der Realität des Lebens zu stellen. Nähe erschreckt sie, Berührungen lösen Panik aus. Viel Geduld wird nötig sein, um ihr den Glauben an ein erfülltes Leben zurückzugeben.
- Beispiel 4 – Behinderte: Menschen mit Behinderungen haben es überall schwer. Nicht nur, dass sie mit sich selbst zu tun haben. Ihnen wird auch häufig viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In manchen Staaten mangelt es am Nötigsten: keine ausreichende Gesundheitsversorgung, nur wenige Erleichterungen im Alltag, keine entsprechenden Einrichtungen der Pflege. In anderen Ländern herrscht Wettbewerb, Konkurrenzdruck, Egoismus. In einer von Konsum geprägten Gesellschaft haben es behinderte Menschen immer schwer. So wie die mehrfach behinderte Sue (Name durch die Redaktion geändert), die nach jahrelangem Suchen durch ihre Eltern endlich in einer Menschen zugewandten Einrichtung untergekommen ist. Nach medizinischen Erkenntnissen hat sie keine lange Lebenserwartung, aber sie soll wenigstens glücklich sterben, sagt ihre Mutter.
Karfreitag: Gott liebt ohne Ansehen der Person
Alle diese Menschen liebt Gott. Er hat seinen Sohn Jesus Christus auf die Erde gesandt, damit er für sie stirbt. Das ist einvernehmlicher christlicher Glaube. Im Katechismus der Neuapostolischen Kirche heißt es dazu: „Wohl kaum deutlicher als in Jesu Opfer zeigt sich Gottes Liebe zu den Menschen. Mit dem Karfreitagsgeschehen ist eine Wende in der Heilsgeschichte angebrochen.“ (KNK 12.5.3).
Der Karfreitag lehrt uns, dass Gott sich allen Menschen zuneigt, dass seine Liebe allen gilt – ohne Ansehen der Person, dass nichts und niemand größer ist als Gottes Liebe: „Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Römer 8,38.39).
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