Vom „neuen Licht“ zur „Botschaft“

Es ist nicht selten, dass ein Pendel auf die Gegenseite umschlägt. Auch das gehört zur Geschichte von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff, der am 6. Juli vor 60 Jahren starb – zum Entsetzen vieler Glaubensgeschwister.

„Es ist ein Wahn zu glauben, Jesus wohne nur im Fleisch des Apostels.“ Es war ein Apostel, der das 1918 an einen Amtskollegen schrieb. „Es kommt leider nur zu oft vor, dass den Gesandten mehr Ehre gezollt wird als dem Sender“, heißt es in dem Brief von Johann Gottfried Bischoff an Carl August Brückner. „Und dahin müssen wir kommen, dass der Herr als Grund und Eckstein an den richtigen Platz kommt in seinem Werk.“

Ja, was war denn da los? Der Hintergrund wird häufig als „Lehre vom neuen Licht“ bezeichnet – auch wenn das nur auf einem Spott-Namen beruht. Aufgebracht hatte diese Titulierung der Prophet Vleck 1897 im Konflikt um die Nachfolge des heimgegangenen Apostels Schwarz in den Niederlanden.

Niemals verfasste Lehre

Im Kern ging es dabei – wie schon bei der Trennung der künftigen Neuapostolischen Kirche von den Katholisch-apostolischen Gemeinden (KAG) – um die Frage, wer denn in der Kirchenleitung das Sagen hat: die Propheten, seit KAG-Tagen mit „Licht“ gleichgesetzt, oder die Apostel (mit „Recht“ gleichgesetzt), deren Führungsanspruch der Prophet als „neues Licht“ verspottete.

Konkrete Lehraussagen dazu hat die Neuapostolische Kirche in ihren Glaubensbekenntnissen nicht formuliert. Und die Behauptung, der eine oder andere Stammapostel wäre Befürworter gewesen, stammt lediglich von deren Gegnern. Dokumentiert ist derweil, dass die Kirchenleitung zum Beispiel 1910 in Berlin der sogenannten „Lehre vom neuen Licht“ ausdrücklich entgegentrat.

Trennung von den Anhängern

Dennoch: Die Idee fand Anhänger, deren Vorstellungen sich zuspitzten. Wie etwa beim brandenburgischen Bezirksältesten Julius Fischer und seinem Umfeld, für die Christus in den Aposteln bereits erschienen sei und eine andere Wiederkunft nicht mehr erfolgen werde. 1902 wurde er aus der Kirche ausgeschlossen.

Die Idee hielt sich trotzdem – vor allem in den Niederlanden. Dort war es gar Bezirksapostel Johannes Hendrik van Oosbree, der in seinen späteren Jahren die Idee pflegte, der wiedergekommene Christus wandele in den Aposteln bereits auf Erden. 1945 sagt er sich von der Neuapostolischen Kirche los.

Das Dogma und seine Folgen

Unstrittig ist unter kirchennahen wie kirchenkritischen Historikern: Als Apostel und Stammapostel hat Johann Gottfried Bischoff viel getan, solchen Auswüchsen entgegenzuwirken und die Hoffnung auf die nahe Wiederkunft Christi in den Mittelpunkt des Glaubens zu stellen.

„Leider hat dann später eine Zuspitzung stattgefunden“, sagte Stammapostel Wilhelm Leber im Jahr 2010. Damit meinte er weniger die Überzeugung Bischoffs, dass Christus zu dessen Lebzeiten wiederkommen werde. Es ging vielmehr darum, dass diese „Botschaft“ zum Lehrsatz erhoben wurde, dem bei Ordinationen und Versiegelungen ausdrücklich zugestimmt werden sollte.

Versöhnt in die Zukunft

Die Dogmatisierung habe viel Leid erzeugt, gestand Stammapostel Leber 2013 in seiner Stellungnahme zu diesem Kapitel der Kirchengeschichte ein: Polarisierungen und Parteienbildung, Anfeindungen und Auseinandersetzungen, Ausschlüsse und Abspaltungen. „Es ist mir ein Anliegen, jene um Verzeihung zu bitten, die unter der Botschaft des Stammapostel Bischoffs gelitten haben.“

Diese Aussage war ein entscheidender Schritt zur Versöhnung mit den damaligen Konfliktpartnern. 2014 wurden in einem Festakt die gemeinsame Erklärung unterzeichnet: „Die Apostolische Gemeinschaft und die Neuapostolische Kirche möchten miteinander versöhnt und in gegenseitiger Wertschätzung in die Zukunft gehen.“


Foto: Vor seinem letzten Gottesdienst an Ostern 1960 – Stammapostel Johann Gottfried Bischoff mit seinem Nachfolger Walter Schmidt.

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