Die Sakramente (48): Der doppelte Geist

Vom spontanen Geistesblitz zur ordnenden Apostelhand: So entwickelte die Katholisch-apostolische Kirche ihre Versiegelung. Die theologische Begründung entfaltete sich erst im Laufe der Zeit – und das nicht immer einheitlich.

Die Taufe, das ist die vollständige Wiedergeburt aus Wasser und Geist. Und sie bewirkt die Gotteskindschaft. So sah es 1837 das gewichtigste apostolische Glaubensbekenntnis der Neuzeit, das „Große Testimonium“ der englischen Apostel:

Wofür braucht es da noch die 1847 eingeführte Versiegelung? Antwort gibt der Katechismus der Katholisch-apostolischen Kirche – oder auch nicht. Denn dort ist von „Versiegelung“ keine Rede, sondern von der „Handauflegung der Apostel“.

Es gibt mehr

Mit dieser Handlung wird den Gläubigen „die Gabe des Heiligen Geistes ausgespendet“. Dadurch werden sie „gestärkt und gekräftigt, gesalbt und versiegelt“. Das liest sich noch ziemlich nach der bischöflichen Firmung in der katholischen oder anglikanischen Kirche.

Doch die apostolische Handauflegung bringt den Gläubigen mehr: „Der Heilige Geist teilt darinnen Seine Gaben aus.“ Die da wären: das Wort der Erkenntnis, Glauben, Gaben der Heilung, Wunderwirkung, Weissagung, Unterscheidung der Geister, Zungenrede und schließlich deren Auslegung.

Es dient allen

„Solches alles wirket der eine und selbige Geist und teilt aus, einem jeglichen“ Gläubigen – und zwar ganz individuell. Allerdings mit einem übergeordneten Zweck: „zum Nutzen aller“. Anders gesagt: Die Handauflegung rüstet alle „Glieder der Kirche“ mit genau den Gaben des Heiligen Geistes aus, die sie für ihren jeweiligen Dienst brauchen.

Wohlgemerkt, sowohl die Taufe als auch die Versiegelung vermittelten nach katholisch-apostolischen Verständnis die Gabe des Heiligen Geistes: Die Taufe spendete den „Geist des Lebens“, die Versiegelung schenkte den „Geist der Kraft“.

Es entwickelt sich

In zahlreichen Schriften entwickelten Apostel und Theologen diese Grundlagen weiter – ganz gerne auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das fängt schon beim Namen an. Manche nutzten „Versiegelung“ synonym zu „Handauflegung“. Andere sahen im Ersten nur einen Teilaspekt des Zweiten.

Das geht mit dem eigentlichen Ritus weiter: Zur apostolischen Handauflegung, die vor dem Altar kniend empfangen wurde, kam die Salbung der Stirn mit Öl dazu. Und das hört mit dem Stellenwert nicht auf: Vom unentschlossenen „ein Sakrament oder eine heilige Handlung“ des Katechismus‘ ging es in Richtung Sakrament – allerdings nicht so ganz auf Augenhöhe mit den Hauptsakramenten Taufe und Abendmahl.

Es geht nicht ohne

Eindeutig war der gemeinsame Lehrtrend in Sachen Heilsnotwendigkeit: Demnach ist die Versiegelung ein Muss zur Vollendung der Taufe, stellt das Unterpfand künftiger Herrlichkeit dar, befähigt zur Teilhabe an der Ersten Auferstehung und errettet somit von der großen Trübsal. Ohne sie kann die Kirche nicht für die Wiederkunft des Herrn bereitet werden, formulierte es der Verfasser des Katechismus später in seinen Erläuterungen dazu.

Zwei Voraussetzungen gab’s für die Versiegelung: Der Empfänger gleich welcher Konfession mussten getauft sein und in Anlehnung an mosaische Gesetze mindestens 20 Jahre alt sein. Kinder wurden nicht versiegelt – ganz im Gegensatz zur Neuapostolischen Kirche. Welche Entwicklungen es hier gab, damit beschäftigt sich der nächste Teil dieser Serie.


Foto: sborisov - stock.adobe.com

Artikel-Infos

Autor:
Datum:
Schlagworte:

Andreas Rother
20.01.2022
Sakramente, Heilige Versiegelung