Kolonialismus, Kriege und Kirche

Am 3. Juli wird Stammapostel Jean-Luc Schneider einen Gottesdienst in der Demokratischen Republik Kongo feiern. Nur drei Tage nach dem Fest der Unabhängigkeit in dem Land. Als ehemaliger Bezirksapostel weiß der Stammapostel um die bewegte Geschichte des Landes.

Er nannte das Land „Kongo-Freistaat“ und machte es mit all seinen Einwohnern zu seinem Privatbesitz. Der belgische König Leopold II. schaffte es um 1884, die heutige Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) unter dem Deckmantel von Humanität und Wissenschaft zu seinem Eigentum zu machen. Doch human war sein Verhalten ganz sicher nicht: Um ganz groß ins Kautschuk-Geschäft einsteigen zu könnten, beutete er das Land und die Leute aus.

Am 30. Juni feiert die DR Kongo ihren Unabhängigkeitstag. 1960 löste sich das Land von der Kolonialmacht Belgien. Wirklich gut war danach aber nicht gleich alles.

Erste Kontakte nach Europa

Dabei fing der Kontakt zu Europa eigentlich ganz vielversprechend an. Im 15. Jahrhundert kamen portugiesische Seefahrer in das Gebiet und fanden das Königreich Kongo vor, eines der größten afrikanischen Staatswesen überhaupt. Ab 1491 nahm Portugal diplomatische Beziehungen zu dem afrikanischen Reich auf und es entstand eine nahezu gleichberechtigte Beziehung zwischen den beiden Ländern. Die Missionare wurden freundlich aufgenommen und König Nzinga a Nkuwa ließ sich taufen.

Doch 1876 berief König Leopold II. in Brüssel eine geographische Konferenz zur Erforschung des Kongos ein und gründete die spätere Internationale Kongo Gesellschaft (IKG). Und während die IKG immer mehr Land des Kongos vereinnahmte, vereinnahmte König Leopold II. die IKG nach und nach, bis er deren alleiniger Eigentümer war. So war der „Kongo-Freistaat“ bald sein Eigentum.

Grausamkeiten eines Königs

Die folgenden Kongogräuel forderten bis 1903 fast die Hälfte der Bevölkerung. Um mit Kautschuk Geld zu machen, wurde die indigene Bevölkerung versklavt, zur Zwangsarbeit gezwungen und gefoltert. Viele starben an Erschöpfung oder an den Folgen von Vergewaltigungen und Verstümmelungen, andere wurden bei kleinsten Verstößen hingerichtet.

Als die Kongogräuel an die Öffentlichkeit kamen, führte das zu einem internationalen Aufschrei und zu einer Menschenrechtsbewegung. König Leopold II. musste sein Land an den belgischen Staat abgeben. Doch nach wie vor litten die Einheimischen in „Belgisch-Kongo“ unter Ausbeutung der Kolonialmacht.

Unabhängig, aber arm

Wie in vielen kolonisierten Ländern gab es ab den 1950er Jahren auch im Belgisch-Kongo Unabhängigkeitsbestrebungen. Nach Unruhen in der Hauptstadt Léopoldville (heute Kinshasa) zog sich Belgien plötzlich aus dem Land zurück und hinterließ Chaos. 1965 kam Mobuto Sese Seko an die Macht und führte 32 Jahre lang eine brutale Diktatur. In der Zeit bekam das Land den Namen Zaire.

Mit dem Ende der Diktatur begann der Völkermord in Ruanda. Viele der Täter flohen 1994 in die DR Kongo, von wo aus sie weitere Angriffe in Ruanda planten und ausübten. Damit begannen auch die ersten beiden Kongo-Kriege, die erst 2003 beendet wurden.

Die gesamte Wirtschaft und die Sozialsysteme des Landes, das nun Demokratische Republik Kongo hieß, waren zusammengebrochen. Schätzungsweise drei Millionen Menschen waren getötet worden. Der erste frei gewählte Präsident seit 1965 hatte es nicht leicht: Es gab kaum Infrastruktur und die rohstoffreiche Ostprovinz wurde ständig ausgeplündert, was zum dritten Kongokrieg führte, der erst 2013 beendet wurde.

Auch heute noch zählt die DR Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt. Obwohl es dort viele Rohstoffe gibt, leidet das Land unter der jahrzehntelangen Ausbeutung, Korruption, die jahrelangen Kriege und der ständigen Bevölkerungszunahme.

Vorfreude auf einen besonderen Besuch

Kurz nach dem Unabhängigkeitstag wird Stammapostel Jean-Luc Schneider den Gottesdienst für Entschlafene in Goma halten. Dort war das größte Flüchtlingslager für Geflüchtete aus Ruanda und von dort aus organisierten Extremisten Angriffe auf das Land.

Der Stammapostel kennt die Geschichte des Kongos gut. Als Bezirksapostel der Gebietskirche Frankreich war er jahrelang für die heutige Gebietskirche DR Kongo Südost, die heute von Bezirksapostel Tshitshi Tshisekedi geleitet wird, zuständig. Zusammen mit der Gebietskirche DR Kongo West, die von Bezirksapostel Michael Deppner geleitet wird, hat DR Kongo 3,27 Millionen neuapostolische Christen. Das sind mehr als ein Drittel aller Glaubensgeschwister weltweit. Zweimal wird der Stammapostel auf seiner Reise in den Kongo einen Gottesdienst in der Hauptstadt Kinshasa halten. Wollte er alle Gemeinden der Stadt besuchen, wäre er noch eine ganze Weile länger unterwegs: Dort gibt es 1700 Gemeinden!

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