Der zweigeteilte Altar: Ein Aufbau mit Geschichte

„Ihr habt ja keinen Altar.“ Dergleichen bekommt man in der Neuapostolischen Kirche Hannover-Süd zu hören. Wie das kommt und warum das nicht stimmt: ein Blick in die Gemeinde, die der Stammapostel am kommenden Sonntag besucht.

Aus Holz ist er zumeist, der traditionelle Altar, manchmal auch aus Stein. So kennen ihn weite Teile der neuapostolischen Welt: ein Block oder Kasten auf einem Podest, obenauf mittig eine Ablage für die Bibel, links und rechts freie Flächen für die Abendmahlskelche.

Ganz anders in der Gemeinde Hannover Süd (Deutschland): Aus Stahl, nur acht Millimeter dick, weiß gestrichen steht in der Mittelachse des Kirchenschiffes eine Art Rednerpult. Daneben, mit etwa einem halben Meter Abstand, ein Tisch aus dem gleichen Material. – Was soll das?

Wortverkündigung und Abendmahl

Dieser Aufbau hat eine Geschichte, berichten Bezirksältester Rainer Lorenz und der Gemeindevorsteher, Hirte Dirk Müller. Die Gestaltung des vor fast genau einem Jahr eingeweihten Gemeindezentrums war aus einem Architektur-Wettbewerb hervorgegangen. Vor Kopf des Kirchenschiffes sah das Siegerkonzept eine Zweiteilung vor: hier der Chorbereich, da der liturgische Raum mit Altar und Plätzen für die Amtsträger, leicht abgesetzt durch eine Stufe Erhöhung.

Damit fiel der klassische symmetrische Altar gleich flach. Auf der Suche nach einer Lösung schauten sich die Gestalter die Liturgie des neuapostolischen Gottesdienstes an und entdeckten zwei zentrale Elemente: die Predigt und das Heilige Abendmahl. Also teilten sie den Altar ebenfalls auf: in den Ambo (oder auch die Kanzel) als Ort der Wortverkündigung und den Tisch des Herrn als Ort der Feier des Heiligen Abendmahls. Eine Revolution? – Von wegen.

Historische Hintergründe

Denn dieser Aufbau hat Geschichte: Die heute so bekannte Form des neuapostolischen Altars ist einmal aus der Zusammenfügung dieser beiden Elemente entstanden. Noch in der Vorläuferkirche, der Katholisch-Apostolischen Gemeinde, waren Abendmahlsaltar und Predigtkanzel komplett eigenständig. Das bestätigt Kirchenhistoriker Dr. Manfred Henke auf Anfrage.

Wie und warum der mittlerweile traditionelle Altar in die Neuapostolische Kirche kam, ist noch wenig erforscht. Es ist aber anzunehmen, dass er über die in der Frühzeit führenden Apostel Schwarz und Menkhoff aus dem Calvinismus und dem Pietismus in die Gottesdienst-Gestaltung einwanderte – ähnlich wie der Verzicht auf Weihrauch und verzierte Messgewänder.

Verwandtschaft in ganz Deutschland

Auch in unseren Tagen ist die liturgische Zweiteilung mancherorts deutlich erkennbar: Wie etwa in Hamburg-Eppendorf (Norddeutschland) oder Sprockhövel (Nordrhein-Westfalen). In beiden Fällen ähnelt der Altar einem großen Tisch, in dessen Mitte eine Art Pult eingebaut ist.

Diese Kombination gibt es auch in asymmetrisch, zum Beispiel in Ditzingen (Süddeutschland) oder in Weimar (Ostdeutschland). Hier rückt der Ort der Verkündigung am Tisch des Herrn ganz an den Rand. Da war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Trennung wie in Hannover-Süd, erläutert Gemeindevorsteher Müller.

Liturgie im Fokus

Also ein Konzept für jede Kirche? Mitnichten. Denn: „Im Endeffekt ist Gestaltung auch Geschmackssache“, sagt Hirte Müller. Und für so manches Gemeindemitglied war dieses Design ein Stein des Anstoßes. Doch sie haben – als das Kirchenzentrum Hannover-Süd zur Fusion von vier Gemeinden gebaut wurde – ihr neues Zuhause in Nachbarstandorten gefunden, betont Bezirksältester Lorenz.

Nicht nur in Hannover wird die Gestaltung des Altars kritisch gesehen. Erst recht gibt es nirgendwo den Gedanken, das Konzept zum Prinzip zu machen. Und so wird die Zweiteilung eine Ausnahme bleiben.

Artikel-Infos

Autor:
Datum:
Schlagworte: