Nicht nur den Zehnten, sondern ganz

Vor dem Opferkasten stehen und noch ein letztes Mal abwägen: Wie viel setze ich ein? Was bekomme ich dafür? Und dann die alles entscheidende Frage: Geht die Kalkulation auf?

Die antike römische Redewendung „do ut des“ (Ich gebe, damit du gibst) ist auch heute noch weit verbreitet: Selbstverständlich bringe ich mich ein, wenn die Entlohnung stimmt. Gerne gebe ich ab, wenn ich etwas – möglichst mehr und mit erkennbarem Gewinn – zurückerhalte. Und wenn es um das Opfer geht? Wie gewieft halte ich mich im Handel mit Gott?

Die Gottesdienste im Monat Oktober befassen sich mit „Unserem Opfer“. Im zu Ende gehenden Kirchenjahr bietet sich damit noch einmal die Gelegenheit, über Dankbarkeit und Liebe zu Gott und den Dienst am Nächsten nachzudenken. „Unser Opfer“, das ist Geldspende wie auch immaterielles Geben und Teilen. Es kann also niemals mit dem vollkommenen Opfer verglichen werden, dass Jesus Christus, durch seinen Tod am Kreuz gebracht hat.

10% vom Haben, 100% vom Sein

Dass neben dem Opferkasten kein Taschenrechner liegt, kommt nicht von ungefähr. Es geht nicht um Höhe und Häufigkeit. Es geht auch nicht um Brutto oder Netto, sondern einzig und alleine um den inneren Drang, das Wollen, aus der Liebe zu Gott und zum Nächsten. Das schließt eine wie auch immer geartete Kosten-Nutzen-Rechnung aus.

Segen Gottes ist kein Automatismus, er ist nicht käuflich und schon gar nicht erzwingbar. Finanzielles Auskommen, körperliches Wohlbefinden und ein großer Freundeskreis sollen nicht als Heilsgabe Gottes verstanden werden – und erst recht nicht als erstandenes, gekauftes Gut.

Die Liebe Gottes drückt sich in göttlichen Zuwendungen aus. Göttlicher Segen ist erlebbar in den sakramentalen Handlungen, dann, wenn Gott sich dem Menschen in Taufe und Abendmahl naht und eine dauerhafte Bindung eingeht. Die Menschwerdung des Gottessohnes, das Opfer am Kreuz, Kraft und Wollen für Nachfolge – das ermöglicht Heil, das nicht nur ein paar Augenblicke wohltut, sondern – und das ist der Fokus! – in ewiger Gemeinschaft mit Gott aufgeht.

Opfern heißt: aktiv werden

Opferbereitschaft ist Ausdruck der Dankbarkeit des Gläubigen gegenüber Gott. Es ist Zeichen von Liebe und Bewusstsein, woher das natürliche und das geistige Leben kommt und wohin es geht. Es ist ein Prozess, dem das Erkennen der Schöpferkraft Gottes – soweit es uns Menschen möglich ist – vorangeht. Aus diesem Wissen will der Gläubige sein Leben Gott widmen, er will sein Leben nach dem Evangelium gestalten.

„In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller“ (1. Korinther 12,7) – der Dienst am Nächsten im Zuhören, im Hingehen, im Mitleiden, das Einbringen von ganz persönlichen Fähigkeiten in der Gemeinde – auch das ist Opfer. Selbstverständlich, das finanzielle Opfer, dass der Kirche ermöglicht ihren Auftrag zu erfüllen, gehört dazu.

Der Wechsel aus der Rolle des Zuschauers zum Mitmachenden, das Einbringen von Fähigkeiten, … das ist manches Mal schwer, widerstrebt der Gemütlichkeit und gehört zum Opfern. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Und bitte keinen Vergleich anstellen: „Der andere leistet weniger, also tue ich auch weniger“ oder „Der andere leistet aber wieder übertrieben viel, vermutlich will er sich nur hervortun …“ – solche Gedanken helfen nicht weiter und haben mit dem inneren Drang Gott und dem Nächsten zu dienen, wenig zu tun.

Keine Sache für nebenbei

Grundlage für unser Opfer ist die Hingabe Jesu am Kreuz. Aus Liebe zu den Menschen brachte er das einzigartige, unvergleichliche Opfer. In dieser Haltung können auch heute Opfer gebracht werden. Das schließt manches Mal einen wie auch immer gearteten Passionsweg mit ein. Ein Opfer ist nicht mal eben nebenbei gebracht.

Abgeben von irdischem Reichtum (Geld, Naturalien) und geistlichem Reichtum (Wissen um göttliches Heil), ist Aufgabe eines jeden Christen. Das hilft dem Opfernden dabei, die Dinge an den richtigen Platz zu stellen. Es dreht sich nicht mehr alles um Zugewinn und Maximierung und die Not und das Elend des Nächsten werden nicht übersehen. Habsucht und Geldgier sind Sünde. Sie verstoßen gegen das Gebot der Nächstenliebe. Das Opfer schützt davor.

Er für uns, wir für ihn

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen“ (Matthäus 6,33). „Zuerst“ bedeutet nicht ausschließlich und erfordert keinesfalls Scheuklappen-Denken. Jeder lebt in seinem persönlichen Umfeld und soll Familie, Beruf, Gesellschaft und auch der eigenen Gesundheit Achtung schenken. Den Blick auf das Reich Gottes gerichtet, lässt Werte neu definieren. Die Bescheidenheit in materiellen Dingen ist – wenn die Prioritäten nach Jesu Worten gesetzt sind – ein Umstand, der sich von alleine ergibt.

Gott hat den Weg vorgelebt, den Weg der Liebe, des Opfers, der Geduld und der Versöhnung. Nachfolge bedeutet, es ihm gleich zu tun.



Foto: Marcel Felde

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Oliver Rütten
25.09.2017
Gottesdienst, Gemeindeleben