Gottes Wort ins Bild gesetzt
Die Corona-Krise hat nicht nur die Art verändert, wie Gottesdienste gehalten werden, sondern auch, wie sie gehört werden. Wie aktives Zuhören geht und wie das die Gemeinschaft stärkt, das zeigt das Beispiel der „Gotteswortbilder“.
Wo andere ein Gesangbuch brauchen, da benötigt Natalie Simon aus Wiesbaden (Deutschland) derzeit einiges mehr an Ausrüstung für den Gottesdienst: Papier, ein Klemmbrett, eine ganze Batterie an Zeichenstiften und Textmarkern sowie etwas zu trinken. Denn, was jetzt kommt, ist harte Arbeit.
Die 34-Jährige hört zu, überlegt, zeichnet, schreibt. Strich um Strich entsteht das Bild eines Gottesdienstes inklusive Lieder, Bibelwort, vor allem aber von der Predigt – klar strukturiert, gut nachvollziehbar. „Mindmap“ nennen das die einen, „Sketchnotes“ die anderen. Hier könnte man auch „Gotteswortbilder“ sagen.
Zusammenfassung findet viel Anklang
„Wir sind begeistert“, so lauten die Reaktionen zum Beispiel auf Facebook. „Danke für diese schöne Zusammenfassung.“ Die Zeichnungen „geben Kraft, Trost, Verbundenheit und lassen den Gottesdienst nachklingen.“ Und: „Man kann den Gottesdienst noch einmal so richtig nacherleben.“
Ursprünglicher und aktivster Multiplikator der Predigt-Skizzen ist Apostel Uli Falk aus Norddeutschland. Und das kommt nicht von ungefähr: Mit ihm zusammen hatte Natalie als Aktive im Jugendtagsteam schon entsprechende Pläne gemacht, bevor sie unlängst von Hamburg nach Hessen umzog.
Premiere in der Corona-Krise
Das kreative Handwerkzeug hat sich die Grund- und Hauptschullehrerin mit den Fächer Musik, Deutsch und Kunst selbst beigebracht – zunächst für Unterrichtszwecke. Auf die Idee, einen Gottesdienst damit zu erfassen, brachte sie der Besuch einer Inklusionsveranstaltung im September vergangenen Jahres: Die Leinwand-Projektion einer Livezeichnung half Teilnehmern mit ganz unterschiedlichen Auffassungsgaben, zu verstehen, was auf dem Podium passierte.
Tatsächlich umgesetzt hat Natalie Simon den Gedanken beim ersten Streaming-Gottesdienst der Gebietskirche Nord- und Ostdeutschland am 22. März dieses Jahres. Seitdem haben ihre Werke so viel Anklang gefunden, dass sie mittlerweile auch für die Gebietskirche aktiv ist.
Hilfreich für sich und andere
Damit bedeutet jeder Sonntag für sie derzeit eine Doppelschicht. „Danach ist man dann richtig kaputt, aber auch glücklich.“ Denn diese Art von Mitarbeit hilft nicht nur anderen, sondern zuerst dem Aktiven selbst: „Man erlebt den Gottesdienst viel intensiver und kann sich die Inhalte besser merken.“ Kein Wunder also, dass die Veröffentlichung der Sketchnotes schon andere Kreative zu eigenen Werken inspiriert hat.
Gedächtnistraining für den Gottesdienst einzusetzen, dieser Gedanke ist der Neuapostolischen Kirche gar nicht mal fremd. So gab es beim Internationalen Jugendtag 2019 eigens einen Workshop, der Techniken dazu vermittelte, wie man mehr aus einer Predigt mitnehmen kann. Und technische Hilfsmittel dazu zu benutzen, Menschen mit unterschiedlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten, die Inhalte zugänglich zu machen, das ist bei „Gottesdiensten in leichter Sprache“ längst offizielles Programm.
Wie es mit den Mindmaps jenseits der Corona-Beschränkungen weitergeht, das ist noch unklar. „Ich hoffe, dass wir auch nach Corona deine Gabe erleben können“, hofft unterdessen ein Kommentator auf Facebook. Und eine Kommentatorin ergänzt: Wenn es das „nicht mehr gibt, wird mir, so glaube ich, was fehlen.“
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Andreas Rother
20.05.2020
Gottesdienst,
Gemeindeleben,
Persönlichkeiten