Eine etwas andere Schuhkartongeschichte

Evangelist Ralf Pilgrim ist seit Ende September 2021 der neue Vorsteher der Gemeinde Bad Harzburg (Deutschland). Erst 2020 zog er mit seiner Familie dorthin. Doch er kannte die Gemeinde schon länger …

„Ich komme aus der Kleinstadt Spenge in Ostwestfalen, zwischen Bielefeld und Herford“, erzählt Ralf Pilgrim. „Dort habe ich quasi mein ganzes Leben verbracht. Bis zu meinem 54. Lebensjahr.“ Als Einzelkind sei er wohlbehütet aufgewachsen. Der neuapostolische Glaube sei in seinem Elternhaus seit Generationen verankert.

Fremdsprachen für die Kirche

Seinen spannenden Einstieg in die kirchliche Arbeit datiert Ralf Pilgrim mit Mitte der 1980er-Jahre: „Zur damaligen Zeit hatten wir in der Gemeinde viele Flüchtlinge aus Sri Lanka.“ Der Bürgerkrieg (1983–2009) in diesem Inselstaat im Indischen Ozean war Ursache für die Flucht vieler tamilischer Familien nach Indien, Kanada und Europa. Ralf Pilgrim lernte damals Englisch am Gymnasium und begleitete die Amtsträger als Dolmetscher bei Hausbesuchen und übersetzte häufig simultan die Gottesdienste ins Englische. „Wir waren auf der Bezirksebene drei Jugendliche, die als Dolmetscher aktiv waren.“ Er erinnert sich: „Die ‚Gäste‘ aus Sri Lanka waren für die kleine tradierte Gemeinde anfangs schon ein Kulturschock. Doch das Miteinander hat die Gemeinde geöffnet, ließ uns nach rechts und links schauen, und plötzlich hat man die ‚Anderen‘ gemocht und sie gehörten dann einfach mit zur Gemeinde.“

Das Engagement in der Kirche habe auch seine Englischkenntnisse gefördert. Damit hatte er später auch berufliche Vorteile. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens startete er sein Berufsleben als Projektmanager in einem Unternehmen, wo er später als Geschäftsbereichsleiter tätig war. Anschließend wechselte er als Geschäftsführer in ein anderes Unternehmen mit Hauptsitz in England und war dort 14 Jahre tätig.

Die Sprache der Liebe

Einer Fremdsprache ist es auch zu verdanken, dass Ralf Pilgrim seine Frau kennenlernte, denn sie beide besuchten einen Portugiesisch-Unterricht, der in der Kirche angeboten wurde. „Über den Portugiesisch-Unterricht sind wir zusammengekommen. Es ging so weit, dass wir im Endeffekt alleine beim Unterricht mitmachten, da es unsere Chance war, uns unterwöchig zu sehen“, erzählt Ralf Pilgrim.

Mit 19 Jahren empfing Ralf Pilgrim das Unterdiakonenamt. Weitere Amtsstufen folgten. Als 31-Jähriger trug Evangelist Ralf Pilgrim – verheiratet, Vater zweier kleiner Kinder – bereits die Verantwortung für seine Heimatgemeinde als Vorsteher.

Orientierung in den Harz

2018 kam im Leben von Ralf Pilgrim der berufliche Wechsel, der noch weitere Veränderungen nach sich zog. „Die Firma, in der ich gearbeitet hatte, wurde von einem großen Konzern übernommen, was letztendlich dazu führte, dass ich auf der Suche nach einem neuen Job war. Und da ich die Firma hier im Harz schon relativ lange kannte, fragte ich dort an und dadurch ergab es sich, dass ich nun als Geschäftsführer in einem Unternehmen der Automobilbranche hier im Harz tätig bin“, berichtet Ralf Pilgrim.

Im Sommer 2018 nahm er die neue berufliche Herausforderung an – und wurde zum Berufspendler. Unter der Woche wohnte er in einer kleinen Wohnung im Harz. In der Gemeinde Bad Harzburg besuchte er die Gottesdienste unter der Woche. „Es hat sich so ergeben, aus der Nähe zu meiner neuen Arbeitsstätte und dem Wohnort“, erklärt er und erinnert sich: „Als ich das erste Mal in der Gemeinde unerwartet aufgetaucht bin, da gab es schon verwunderte Blicke: ‚Irgendwoher kennen wir den doch‘!“ Evangelist Pilgrim lächelt.

Und man kannte sich tatsächlich, nämlich durch die Aktion „Gemeinde im Schuhkarton“, die im Rahmen des Internationalen Kirchentags (IKT) 2014 in München gestartet wurde. Die Bilder haben viele gewiss noch in Erinnerung: die riesigen Regale mit den durch die Gemeinden gestalteten Schuhkartons. „Da hat die Gemeinde Bad Harzburg unsere Gemeinde Spenge gezogen“, erinnert sich der ehemalige Vorsteher aus Spenge und fügt hinzu: „So entstand die Partnerschaft der beiden Gemeinden mit regelmäßigen gegenseitigen Besuchen. Auch mancher persönliche Kontakt wurde dadurch geknüpft und aufrechterhalten.“

Neue Heimat gefunden

Irgendwann erkannte Ralf Pilgrim: „Ich kann nicht länger ein Wochenend-Vorsteher bleiben.“ Am Sonntag, 10. März 2019, wurde er deshalb von seiner Aufgabe als Vorsteher seiner Gemeinde entbunden und zog ein Jahr später mit seiner Familie in den Harz.

Am 9. September 2020 besuchte Apostel Helge Mutschler die Gemeinde Bad Harzburg und bestätigte in diesem Gottesdienst Ralf Pilgrim als Amtsträger. Ein Jahr später, am 29. September 2021, war Apostel Mutschler erneut in Bad Harzburg und übertrug Ralf Pilgrim die Verantwortung als Vorsteher für die Gemeinde.

Für seine Gemeinde hat der neue Vorsteher eine Vision: im guten und offenen Miteinander und in Freude auf dem Weg zum Ziel zu sein. Nicht die Risiken überbetonen, sondern gemeinsam die Chancen sehen und nutzen, das sei ihm wichtig.


Dieser Artikel ist in einer ausführlicheren Version ursprünglich in der Zeitschrift „Unsere Familie“, Ausgabe 01/2022 erschienen.

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