Gemeinsam unterwegs

Zwei Chöre stehen sich auf der Bühne gegenüber. Der linke Chor bleibt stumm – trotzdem macht er die Musik des rechten lebendig: Der Gebärdenchor und der singende Chor ergänzen sich bei dem inklusiven Musicalprojekt gegenseitig.

50 Jahre nach Jesu Tod treffen sich die Jünger nochmal, um über alles zu sprechen, was sie mit Jesus gemeinsam erlebt haben. Dieses fiktive Treffen wird 2000 Jahre später auf dem Internationalen Kirchentag 2014 in München (Deutschland) als Musical aufgeführt. Das Besondere: Das Musical ist barrierefrei: Hörende, Schwerhörige und Gehörlose können der Geschichte folgen und die Lieder verstehen.

Schauspiel- und andere Talente entdeckt

Es fing 2009 mit einem inklusiven Konzert an. Der singende Chor wurde von einem Gebärdenchor begleitet. Oder andersherum. Heike Riexinger, Organisatorin der Gehörlosen Gemeinde Süddeutschland, erkannte dann das Potential der Gemeinde. Nachdem sie sämtliche Musicals geprüft hatte, entschied sie sich, das Musical „Noch einmal Kapernaum“ von Jürgen Werth für ihre Zwecke umzuschreiben und in Gebärden zu übersetzen. Der Komponist war einverstanden.

Und die Gemeinde war begeistert. „Das war ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Hörende, Schwerhörige und Gehörlose haben auf einer Ebene miteinander gearbeitet und die Kostüme genäht“, erzählt Heike Riexinger. „Das Bühnenbild und die Requisiten wie Boot oder Brunnen wurde von den Glaubensgeschwistern aus unserer Gruppe angefertigt.“

Wenn der Hörstatus keine Rolle spielt

Gemeinschaft stand schon bei den Vorbereitungen im Vordergrund. „Jeder konnte seine Fähigkeiten einbringen und der Hörstatus hat eigentlich keine Rolle gespielt“, erzählt Heike Riexinger. So ergab sich auch der Titel des Musicals „Gemeinsam unterwegs“. Er ist also nicht nur ein Hinweis darauf, dass die Jünger gemeinsam mit Jesus unterwegs waren, sondern auch, dass die Hörgeschädigten-Gemeinde einen gemeinsamen Weg zum fertigen Musical mit vielen Proben und vielen Vorbereitungen ging.

2011 wurde das Gebärdenmusical auf Basis des Musicals von Jürgen Werth das erste Mal aufgeführt. Die Jünger treffen sich darin als alte Männer und erzählen sich gegenseitig von dem gemeinsamen Weg mit Christus. Geschichten, wie die Berufungen der Jünger, werden in kleinen Theatersequenzen oder in Gebärdenpoesie von den Jüngern, die auf der Bühne 50 Jahre jünger aussehen, nachgespielt.

Inklusion beim Kirchentag

Das Publikum war begeistert und so entstand die Idee, das Gebärdenmusical auch beim Internationalen Kirchentag aufzuführen. Mit einem Projektchor aus zwei Gemeinden im süddeutschen Raum schaffte die Hörgeschädigten-Gemeinde ein Inklusionsprojekt, das für alle barrierefrei war, denn die Gebärden auf der Bühne wurden im Saal in die Lautsprache übersetzt.

„Wir sind gemeinsam unterwegs“ heißt der Titel des ersten Liedes, das das Thema des Musicals zusammenfasst. „Wo du auch herkommst, zählt nicht mehr“, singt der rechte und gebärdet der linke Chor. „Wo du jetzt hingehst, zählt viel mehr.“ „Er ist der Weg“, heißt es von Jesus. „Mit ihm zu leben, zählt viel mehr.“

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Katrin Löwen, Kevin Sargant
23.09.2023
Gemeindeleben, Konzert, Lieder