Die Sakramente (45): Eine Taufe, zwei Sakramente

Die Wiedergeburt aus Wasser und Geist: Was als ein Ritus in zwei Teilen begann, das entwickelte sich zu zwei eigenständigen Sakramenten. Auslöser war der überwältigende Erfolg des Christentums.

Jahrhundert vier nach Christus: Es herrschte reger Betrieb in den Baptisterien, den Taufkapellen im Vorfeld der großen Bischofskirchen. So richtig los ging es, als Kaiser Konstantin selbst zum Christentum übertrat und damit den Weg gen Staatsreligion ebnete.

Zusätzlichen Andrang brachte der Trend zur Kindertaufe, die sich bis zum sechsten Jahrhundert überall durchsetzte. Hier war es Kirchenvater Augustinus, der mit seiner Erbsünden-Lehre die theologischen Fundamente legte.

Diese Entwicklungen verändern den zweigliedrigen Ritus der Taufe: Auf die Wassertaufe – meist durch einen Priester – folgte bis dahin unmittelbar die Handauflegung und Salbung durch den Bischof – als Bestätigung (lateinisch „confirmatio“).

Priester kann nicht immer helfen

Priester standen in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Doch irgendwann konnten die Oberhirten den wachsenden Andrang nicht mehr bewältigen. Das lösten die Kirchen im Osten und Westen des Römischen Reiches ganz unterschiedlich.

In der Ostkirche genoss schon seit langem die Salbung einen höheren Stellenwert als die Handauflegung. Deshalb reichte es den Klerikern dort, wenn das Salböl von einem Bischof geweiht war. Er selbst musste bei der Taufe nicht mehr anwesend sein. Genauso praktizieren es die orthodoxen Kirchen bis heute.

Im römischen Westen lag die Sache etwas anders. Wichtiger war hier – biblischen Vorbildern folgend – die Handauflegung durch das Amt, das die lehrmäßige Verbindung zu biblischen Aposteln sicherstellen sollte. Die Handlung konnte der Bischof also nicht an Priester abgeben.

Eine Frage der Zeit

Weil immer mehr Gemeinden entstanden, kam die Herde bald nicht mehr zum Hirten, sondern der Hirte zur Herde: Der Bischof bereiste die immer zahlreicheren Pfarrgemeinden seines Berittes. Und es konnte Tage, Wochen, sogar Jahre dauern, bis er mal wieder an den gleichen Ort kam.

So fielen die Wassertaufe und die Handauflegung/Salbung zeitlich immer weiter auseinander. Aus dem Ritus der „confirmatio“ wurde das eigenständige Sakrament der „Firmung“. Die Scholastiker bauten im Mittelalter das theologische Gerüst dazu. Dieses Verständnis zementierte sich, als die Reformatoren am Lehrgebäude rüttelten.

Im Laufe der Jahrhunderte pendelte das Alter der Firmlinge beträchtlich: irgendwo zwischen vier und sechszehn Jahren, meistens aber so ums siebte Lebensjahr. Heute gilt das „Alter des Vernunftgebrauchs“, also der Entscheidungsfähigkeit. Wann genau das ist, liegt im Ermessen der nationalen Bischofskonferenzen.

Geistverleihung und Gotteskindschaft

„Die Firmung vollendet die Taufgnade“, heißt es heute im Katechismus der Katholischen Kirche. „Sie ist das Sakrament, das den Heiligen Geist verleiht.“ Das soll die Gläubigen „in der Gotteskindschaft tiefer verwurzeln“, die „Verbindung mit der Kirche stärken“ und dabei helfen, „in Wort und Tat für den christlichen Glauben Zeugnis zu geben“.

Zum Vergleich: „Bei der Heiligen Versiegelung wird der Mensch bleibend mit Heiligem Geist erfüllt“, heißt es im Katechismus der Neuapostolischen Kirche. Damit „wird die durch Gott in der Wassertaufe begonnene Wiedergeburt aus Wasser und Geist vollendet.“ Und: „Auswirkung ist die Gotteskindschaft sowie die Berufung zur Erstlingsschaft. Gibt der Versiegelte dem Heiligen Geist Raum zur Entfaltung, entwickeln sich göttliche Tugenden.“

Mit der katholischen Firmung hatten die protestantischen Reformatoren so ihre Probleme. Und dennoch entwickeln sie etwas Ähnliches: die evangelische Konfirmation. Erst später verändert sich der Inhalt dieser Handlung. Darum geht es im nächsten Teil der nac.today-Serie.


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Andreas Rother
08.11.2021
Sakramente, Heilige Versiegelung