Die Sakramente (54): Chancen jenseits des Lebens

Sakramente für Entschlafene? Das ergibt nur Sinn, wenn sich Menschen im Tod noch ändern können. Gemessen an der Lehre ihrer Kirche glaubt die Mehrheit der Christen an eine Chance im Jenseits. Doch es gibt große Unterschiede.

Wie sieht’s denn aus im Jenseits? Düster – so zumindest lautet die ursprüngliche Antwort im Alten Testament. In der Unterwelt, genannt „Scheol“, dämmern die Toten allesamt vor sich hin.

Schon bald entwickelt sich jedoch die Überzeugung, dass gute und schlechte Menschen ein ganz unterschiedliches Los erwartet. Das setzt sich fort bis ins Neue Testament, wie das Gleichnis vom armen Lazarus zeigt.

Wohin bis zur Auferstehung?

Die Grenze zwischen Leben und Tod ist fließend: Es gibt Entrückungen und Auferweckungen. So entwickeln späte Schriften des Alten Testaments die Hoffnung auf eine allgemeine Auferstehung – zumindest der Gerechten. Das verstärkt sich mit der Übersetzung der hebräischen Bibel ins Griechische.

Dabei wächst der „Scheol“ mit dem „Hades“, der griechischen Unterwelt, zusammen – zu einem Wartestand zwischen Tod und Auferstehung. Hinweise darauf, dass die Seele sich dort noch verändern kann, finden sich allenfalls in zwischentestamentlichen Büchern.

Zur Zeit Jesu streiten progressive Pharisäer und konservative Sadduzäer noch. Doch die Christen übernehmen die Konzepte von Himmel für die Guten und Hölle für die Schlechten sowie der Zwischenexistenz zwischen Lebensende und Weltende.

Eine zweite Chance

Die Kirchenväter des römischen Westens führten noch einen dritten Zwischenzustand ein: das „Fegefeuer“. Kerngedanke war, dass kaum ein Mensch so gut oder schlecht sein kann, vor dem jüngsten Gericht auf ewig verurteilt zu werden. So sollte der Durchschnittssünder die Chance bekommen, sich reinzuwaschen. Die Dauer der Läuterung lässt sich verkürzen, wenn Lebende für die Toten beten, an Messen teilnehmen oder wohltätige Werke tun.

Das ist auch heute noch Lehre der katholischen Kirchen. Allerdings betonen die Theologen, dass Himmel und Hölle keine Orte sind, sondern Seelenzustände – abhängig von der Nähe oder Ferne zu Gott. Und beim Fegefeuer sind es Reue und Sehnsucht, die brennen.

Die zweite Chance für alle

Die orthodoxen Kirchen lehren die Existenz von Paradies und Hölle. Auch hier geht es nicht um Orte, sondern um Seelenzustände: einerseits die Glückseligkeit aus der Überfülle an Liebe in der Verbindung zu Christus, andererseits das Leiden aus der fehlenden Teilhabe an Gott.

Diese Zustände sind vorläufig und veränderbar. Die Gebete der Lebenden, besonders im Rahmen der Abendmahlsfeier, können den Toten helfen. Die katholische Lehre vom Fegefeuer lehnen die orthodoxen Kirchen ab. Unter anderem auch deshalb, weil dort nur für einen Teil der Verstorbenen eine Veränderung möglich ist.

Schlafend oder ganz tot

Mit dem Fegefeuer haben auch die evangelischen Kirchen so ihre Probleme. Schließlich war der Missbrauch dieser Lehre samt Korruption ein Zündfunke der Reformation. Vor allem passt der Läuterungsgedanke nicht in das Konzept der Rechtfertigungslehre.

Stattdessen sprach Kirchenvater Luther vom „Seelenschlaf“: „Wenn wir gestorben sind, wird jeder“ – gefühlt sofort – „seinen jüngsten Tag haben.“ Zuletzt dominierte die „Ganztod-Theorie“: Das Konzept kennt keine unsterbliche Seele mehr, sondern geht von der Vernichtung des Individuums und seiner Neuschöpfung in der Auferstehung aus.

Eine seelische Entwicklung im Jenseits ist für die Kirchen der reformatorischen Tradition so oder so unmöglich.

Christi Opfer macht’s möglich

Eine solche Unveränderbarkeit bestreitet die Neuapostolische Kirche in ihrem Katechismus (KNK):

  • Der Mensch lebt nach dem leiblichen Tod weiter. Während der Leib der Vergänglichkeit unterliegt, besteht die Seele ewig fort. (KNK 9.3)
  • Der Zustand der Seelen im Jenseits ist Ausdruck der Gottnähe oder Gottferne und gleicht dem während der Lebenszeit. (KNK 9.5).
  • Seit dem Opfer Christi ist der Zustand der Seelen im Jenseits zum Guten hin veränderbar. (KNK 9.6)
  • Jesus Christus ist Herr über Tote und Lebende. Es liegt im Willen Gottes, dass allen Menschen geholfen wird. (KNK 9.6.3)


Der universale Heilswille Gottes – das ist eine der drei Säulen, die das Entschlafenenwesen der Neuapostolischen Kirchen theologisch tragen. Darum und um die beiden anderen Pfeiler geht es in den nächsten Folgen dieser Serie.


Foto: Krisztin - stock.adobe.com

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