Mauern, Gräben, Brücken – was die geteilte Stadt uns lehrt

Es ist die Stadt von Mauerbau und Mauerfall: In Berlin (Deutschland) macht der Stammapostel dieses Wochenende Station. Die einzigartige Geschichte der Stadt hält eine Lehre bereit, die Gemeinden auf der ganzen Welt betrifft.

„Werner, wir können nicht mehr rüber.“ Es ist Sonntag, der 13. August 1961. Und Priester Simon ist auf dem Weg zu der Gemeinde, die heute Berlin-Humboldthain heißt. Ein Freund kommt ihm entgegen: „Die Grenze ist zu.“

Ganz nah und dennoch unerreichbar

Tatsächlich: Mitten im Herzen Berlins versperren Stacheldraht und Barrikaden das Weiterkommen – dazu Volkspolizisten samt Stahlhelm und Gewehr: „Hier wird jetzt eine Staatsgrenze errichtet.“ Und daraus entsteht bald die berüchtigte Mauer.

Die Heimatgemeinde in der Hussitenstraße ist nur einen Steinwurf entfernt. Doch für Priester Simon und hunderte weiterer Glaubensgeschwister ist sie auf Jahrzehnte hinaus unerreichbar. Die Gebietskirche zerfällt in ein Ost und ein West, ebenso wie die Stadt und das ganze Land.

Auf dem Weg zur Wiedervereinigung

„Herz und Herz vereint zusammen“, erklingt das Lied am 5. Januar 1992 in der Gemeinde Berlin-Lichtenberg. Stammapostel Richard Fehr hat den Gottesdienst gehalten und feiert nun Wiedervereinigung: Die Gebietskirchen Berlin-Ost und Berlin-West sollen gut zwei Jahre nach dem Mauerfall zum neuen Bereich Berlin-Brandenburg zusammenwachsen.

„Die Mauer hat viel zerschlagen, getrennt und zerstört“, erinnert sich Werner Simon. Doch es bleiben auch Kontakte in die alte Heimatgemeinde, vor allem zu den Geschwistern, die er in zehn Jahren als Jugendleiter betreut hat. Die Jugendlichen trifft er nach der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze wieder: „Da waren sie selbst schon Familienväter und -mütter mit heranwachsenden Kindern.“

Unterschiede mit Verständnis überwinden

Der Prozess des Zusammenwachsens läuft „nicht schmerzfrei“. Das macht Bezirksapostel Wolfgang Nadolny zum 20. Jahrestag der kirchlichen Wiedervereinigung deutlich. Schließlich hätten sich in 30 Jahren der Trennung viele Unterschiede herausgebildet – auch innerhalb der Kirche, schreibt er im Januar 2012 in einem Rundbrief an alle Gemeinden. Das betreffe aber nicht die Glaubenslehre, sondern die menschliche Ebene und die gesellschaftliche Prägung.

„Aber durch den gemeinsamen Blick auf unseren Heiland Jesus Christus und mit dem Bemühen, einander gut verstehen zu wollen, hat sich unter Gottes Segen die Gebietskirche gut entwickelt“, lautet das Fazit des Bezirksapostels. Dazu zitiert er aus Psalm 65,9: „Du machst fröhlich, was da lebet im Osten wie im Westen.“

Niederreißen, zuschütten, aufbauen

Natürlich gebe es hier und da weiterhin Probleme. Doch das bewertet er als „ganz normale zwischenmenschliche Konflikte“. Damit dürfe man sich nicht abfinden, betont Wolfgang Nadolny und fordert mit Blick auf die einzigartige Geschichte der Stadt zum Handeln auf: „Reißt Mauern nieder, schüttet Gräben zu, baut Brücken auf“. Ein Appell, der nicht nur nach Berlin passt, sondern auch in andere Gemeinden auf der ganzen Welt.

Artikel-Infos

Autor:
Datum:
Schlagworte:

Andreas Rother
12.02.2016
Deutschland, Gemeindeleben