Seelsorge (11): Vom Beichten und der Suche nach Entlastung von Schuld

Wenn vom Beichten die Rede ist, wird es heikel. Das ist eine äußerst sensible und persönliche Angelegenheit. Häufig stehen nicht-verarbeitete Schuldvorwürfe im Raum. Für alle Gesprächsteilnehmer ein schwieriges Thema.

„ego te absolvo – ich spreche dich frei!“ Ja, wenn das so einfach wäre. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Beichte gehört in die Welt der Kirche und des Glaubens. Der Glaubende wendet sich an einen gnädigen, barmherzigen Gott, teilt ihm seine Sünd- und Schuldgefühle mit und bittet um Nachsicht. Von daher entlastet die Beichte von seelischem Druck, kann aber nicht automatisch die Freisprache voraussetzen. Nicht der Mensch nämlich spricht frei, sondern Gott, in dessen Auftrag der Mensch handelt. Ein wichtiger Unterschied!

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Nehmen wir folgendes Szenario: Ein ungelöstes Schuldgefühl steht noch im Raum, vielleicht seit langer Zeit. Zwar unbemerkt von der Umwelt, aber mit erheblichen Auswirkungen auf die Seele. Alle gut gemeinten Gespräche, alle seelsorgerischen Hinweise unter Einbeziehung vieler gemeinsamer Gebete bringen nicht den gewünschten Erfolg: Die Seele fühlt sich belastet und ist grundtraurig darüber. Vielleicht ist noch jemand anderes betroffen. Das macht die Suche nach einer Lösung schwieriger. Was tun in solchen Zeiten?

Ein Ausweg könnte die Beichte sein. Damit ist nicht allein das liturgische Hinwenden zum gnädigen Gott gemeint, von dem der glaubende Christ ausgehen darf, dass Gott gnädig ist, wem er will. Das ist nur ein Teil des Beichtwunders, allerdings auch kein kleiner. In der neuapostolischen Liturgie findet dieser sakrale Akt der Entschuldung im Bußteil mit der anschließenden Freisprache von Sünden statt: „In dem Namen Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, sind dir deine Sünden vergeben.“ Diese durch einen bevollmächtigten Diener Gottes gesprochene frohe Botschaft sagt sich schnell, ist aber deutlich mehr als bloßer Automatismus. Sie ist eine Glaubenswahrheit im Evangelium.

Um sie richtig atmen zu lassen, muss daher ein wichtiger Seelsorgetipp lauten: Nimm dir Zeit für Buße!

Buße braucht Zeit

Eine intensive Beschäftigung mit sich selbst, seinen Gedanken, seiner Vergangenheit, seinen augenblicklichen Gefühlen während des Bußteils im Gottesdienst ist sehr vorteilhaft. Das ist übrigens der Grund, warum dieses liturgische Stück überhaupt existiert und auch zeitlich vor die Feier des Heiligen Abendmahls gestellt wird. Um in eine Bußhaltung zu kommen, braucht der Mensch ausreichend Zeit. Das geht nicht von selbst und will gut vorbereitet werden.

Vielleicht will man sich gar nicht mit sich selbst auseinandersetzen, das kann sein. Andererseits entstehen durch eine geeignete Selbstreflexion seelische Antworten – sie heißen Buße und Reue und führen zurück auf Gottes Pfad. Nach Aussagen des Katechismus 12.1.8.5 erfolgt die Buße „aus der Erkenntnis der eigenen Fehlerhaftigkeit beziehungsweise des eigenen Fehlverhaltens. Sie umfasst Reue — das Gefühl von Leid über durch Tat oder Unterlassung begangenes Unrecht — und das ernstliche Bemühen um Sinnesänderung und Besserung.“ Und damit gar nicht erst der Eindruck entsteht, dass die Buße eventuell unzureichend sein könnte, heißt es weiter: „Wie konkret die Buße als Voraussetzung zur Vergebung sein muss, kann abhängig sein von dem Bewusstsein, Sünder zu sein, und von der Einsicht in die begangenen Sünden. Zudem besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen bewusstem und unbewusstem Sündigen.“ Auch das Maß der Reue bestimmt nicht der Mensch, sondern Gott allein: „Ist Reue aufrichtig und tief empfunden und drückt sich die Bußfertigkeit in der Bereitschaft zur Änderung von Gesinnung und Verhalten aus, darf auf Gottes Gnade gehofft werden“ – ein wichtiger Satz, weil dadurch klar wird: Es gibt sie, die berechtigte Annahme auf einen Ausweg, einer Lösung!

Beichten ist möglich

Wenn dann noch Unsicherheiten bleiben oder wenn vorherige Handlungsweisen den Glaubenden unverändert hart belasten und die Seele trotz Freisprache „keinen inneren Frieden findet, besteht die Möglichkeit zur Beichte“, vermittelt der KNK in Kapitel 12.4.4. Auch hier gilt: Zum einen muss der Glaubende seine Sünde(n) erkennen und zum anderen den Apostel, an den er sich wendet, als Gesandten Christi begreifen. Er verkündet Sündenvergebung im Auftrag des Herrn.

Im Fragen-und-Antworten-Katechismus heißt es unter der Frage 691: „Kennen wir in der Seelsorge die Beichte? Ja, wir kennen die Beichte. Man versteht darunter das Sündenbekenntnis, das Eingestehen von Schuld, vor einem kirchlichen Amtsträger. Zwar bedarf es zur Vergebung der Sünde keiner Beichte, doch besteht die Möglichkeit zu beichten, wenn trotz der Sündenvergebung die Schuld noch als belastend empfunden und kein innerer Friede erlangt wird. Die Beichte wird dann vor einem Apostel abgelegt. Ist in dringendem Fall kein Apostel erreichbar, kann ausnahmsweise jeder priesterliche Amtsträger die Beichte abnehmen und im Auftrag des Apostels und im Namen Jesu Christi die Vergebung verkündigen.“

Auch an die Wiedergutmachung denken

Begangene Sünden bleiben nicht ohne Auswirkung. Eine Wiedergutmachung von Unrecht soll angestrebt werden. Das sagen nicht nur die Rechtsvorschriften, sondern auch das persönliche Gewissen. Zwar können Buße und Reue den Druck von der Seele nehmen, zwar ist der Glaube an die Rechtfertigung vor Gott durch den Glauben Evangeliums gemäß, dennoch muss der Mensch für sein Handeln bezahlen. Durch die Beichte wird man zwar mit Gott, mit der Kirche und mit seinen Mitmenschen versöhnt, allerdings muss man für begangene Schuld geradestehen. „Von der Sündenvergebung unbenommen bleiben aber die materiellen, moralischen und rechtlichen Konsequenzen und Verantwortlichkeiten aus dem sündhaften Verhalten“ (KNK 12.1.8.8).

Damit heißt in der Kaskade von Buße und Vergebung das letzte Teilstück Wiedergutmachung. Wie hilfreich und wertvoll ist es, wenn alter Schaden wiedergutgemacht werden kann!

Anspruch auf Beichtgeheimnis

Zu guter Letzt noch ein Punkt an die Amtsträger: Sie handeln im Auftrag ihres Senders und im Namen des Herrn. Nur dadurch sind sie legitimierte Diener Gottes in seiner Gemeinde. Daraus folgt unweigerlich der zulässige Anspruch, dass alles unter vier Augen Besprochene in diesem Kreis verbleibt. Darauf muss sich der Glaubende verlassen können! Das Beichtgeheimnis ist ein Grundrecht aller seelsorgerischer Tätigkeit.


Foto: Katja Xenikis - stock.adobe.com

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Peter Johanning
15.04.2021
Gemeindeleben