Die Sakramente (3): Der doppelt mysteriöse Ursprung

Sakrament und Bibel, das ist so eine Sache: Die Idee ist da, aber nicht das Wort. Das ist erst später in die christliche Sprache eingewandert – und braucht dafür sogar zwei Versuche: eine Geschichte von Bedeutung(en).

Karthago, Nordafrika, zweites Jahrhundert: Ausgerechnet hier, und nicht beim großen Konkurrenten Rom, startet das Latein seine Karriere als Kirchensprache. Hier entsteht das älteste christliche Dokument in dieser Sprache, die „Akten der Scilitanischen Märtyrer“. Und hier gehen auch die Bibelübersetzer ans Werk.

Warum das wichtig ist? Weil das Wort „Sakrament“ aus dem Lateinischen stammt. Und weil die Geschichte seiner Verwendung und Übersetzung viel darüber zu erzählen hat, was der Begriff auch heute noch bedeutet.

Erkenntnis nur für Eingeweihte

„mysterion“ ist das griechische Wort, das den lateinischen Bibelübersetzern im Neuen Testament zu schaffen macht. Den Begriff kennen die Zeitgenossen aus zwei Zusammenhängen:

  • „mysteria“, der Plural, bezeichnete antike Kulte, die mit Riten die Lebensereignisse ihrer Gottheiten wiedergaben. Teilnehmen konnte nur, wer sich bei einer Einweihung zur Verschwiegenheit verpflichtete.
  • In der Philosophie des Platon verschob sich die Bedeutung auf eine abstraktere Ebene. „mysterion“ meint dort die Erkenntnisse des Wirklichen, deren ausdrückliche Kundgabe sich an einen Kreis von Kundigen richtet.

Offenbarung in Vollkommenheit

Im letzteren Sinne findet sich das Wort auch in der „Septuaginta“, der maßgeblichen Übersetzung der jüdischen Bibel ins Griechische: etwa im Buch „Daniel“, wo es um die Offenbarung des göttlichen Ratschlusses gegenüber Auserwählten geht.

Diesem alttestamentlichen Verständnis geben die Autoren des Neuen Testaments, allen voran Apostel Paulus, einen neuen Dreh: Die geschichtliche Verwirklichung göttlicher Heilsgeheimnisse findet in Jesus ihre höchste Form. Das kann aber nur der Gläubige erkennen.

Dieses „mysterion“ versuchen die Karthager mit dem lateinischen „sacramentum“ zu übersetzen. Doch der afrikanische Text kann sich nicht so ganz durchsetzen. Die Itala, die nächste Generation an Übersetzungen, und erst recht die am Ende dominierende Vulgata nutzen vorzugsweise das latinisierte „mysterium“.

Der Fahneneid als Brücke

Dass „sacramentum“ dennoch zur christlichen Vokabel wird, liegt an Tertullian, dem ersten lateinischen Kirchenschriftsteller. Das Wort bezeichnet ursprünglich sowohl den Eid von Soldaten und Beamten auf ihren als göttlich verehrten Kaiser als auch die bei Gericht hinterlegte Kaution, die im Zweifelsfall an einen Tempel und dessen Priester fällt.

Im Fahneneid sieht Tertullian, der Soldatensohn und ausgebildete Jurist, eine Parallele zum Taufgelöbnis. Schließlich verpflichtet sich der Gläubige dabei, in den Dienst seines Herrn Jesus Christus zu treten. So bezeichnet der Karthager erst das Taufgelöbnis und später die komplette Taufe als „sacramentum“. Und am Ende packt er auch das Abendmahl unter diesen Oberbegriff.

Ein Wort, zwei Bedeutungen

So erklärt sich, warum „Sakrament“ heutzutage zwei Bedeutungen hat:

  • Im engeren Sinne sind damit gottesdienstliche Handlungen gemeint, die Anteil am Heil durch Jesus Christus geben, also das „sacramentum“ des Tertullian. Diese Riten ergeben sich aus der Taufe und dem Abendmahl, wie sie die Bibel dokumentiert.
  • Im weiteren Sinne geht es generell um die geschichtliche Verwirklichung der göttlichen Heilsgeheimnisse, also das „mysterion“ des Neuen Testaments. Deshalb sprechen einige Theologen auch von Jesus Christus und seiner Kirche als Sakramente.

Eine umfassende Lehre zum Sakrament entfaltet der Vater des christlichen Begriffes allerdings nicht. Diesen Kraftakt leistet rund 200 Jahre später ein anderer Nordafrikaner. Darum geht’s im nächsten Teil dieser Serie.


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Andreas Rother
18.02.2020
Sakramente, Lehraussagen, Lehrvermittlung