„Offen sein für alle Menschen, für alle Völker“

Er ist in zwei Staaten zu Hause, arbeitet auf drei Kontinenten für die Kirche und spricht sechs Sprachen: Bischof Aramik Fesdjian ist die Internationalität schon in die Wiege gelegt. Im Interview berichtet er von seinem Leben zwischen den Welten.

Sie wurden als Sohn rumänischer Eltern im Libanon geboren. Was hat Ihre Familie dorthin geführt?

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind meine Eltern aus Rumänien geflüchtet. Sie wollten sehen, ob sie sich im Libanon, der damals als „Schweiz des Orients“ galt, eine neue Existenz aufbauen könnten.

Sie haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Fühlen Sie sich eher als Deutscher oder als Libanese?

Weder noch. Mein Vater – er war Rumäne armenischer Abstammung – hat mir beigebracht, offen zu sein für alle Menschen, für alle Völker. Er hat mich so erzogen, dass ich mich nicht an einen bestimmten Ort, an ein bestimmtes Volk gebunden fühle.

In welchem der von Ihnen betreuten Länder leben Sie und Ihre Frau?

Unseren Hauptwohnsitz haben wir in Beirut und ein weiteres Domizil in Limassol auf Zypern. Wenn ich auf Reisen bin, ist es mir lieber, dass meine Frau in Limassol wohnt. Denn im Libanon hatten wir doch manchmal weniger schöne Erlebnisse.

Sie sprechen viele Sprachen: Arabisch, Armenisch, Deutsch, Englisch, Französisch und Rumänisch. Halten Sie auch Gottesdienste in diesen Sprachen?

Früher fiel es mir leicht, Sprachen zu lernen, jetzt geht es nicht mehr so gut. Ich habe versucht, Griechisch zu lernen, aber es gelingt mir nicht. Gottesdienste halte ich in Französisch (im Libanon), in Englisch und Arabisch.

Empfinden Sie Ihre seelsorgerische Arbeit als schwierig?

Das würde ich nicht sagen. Ich bin im Nahen Osten geboren. Die Verhältnisse sind Normalität für uns. Natürlich ist nicht alles leicht, besonders jetzt in Beirut. Aber dann frage ich mich: Möchtest du jetzt lieber in Syrien sein oder in Beirut? Und dann bin ich zufrieden und dankbar. Man erlebt auch sehr oft Gottes Hilfe und den Engelschutz. Leider ist es uns gar nicht richtig bewusst, wie häufig das der Fall ist.

Erinnern Sie sich an besonders gefährliche Situationen?

Ja, da sind manche Dinge passiert. Zum Beispiel einmal im Libanon, 1982, kurz vor dem Israel-Libanon-Krieg. Es war eine total chaotische Zeit damals in Beirut. Es gab fast keinen Staat, keine Polizei. Da sind bewaffnete Männer in die Kirche in Beirut eingedrungen. Wie wir später herausgefunden haben, wollten diese Männer unsere Autos stehlen und uns dann umbringen. Die Autos haben sie gestohlen, aber uns haben sie nichts getan.

Wie erlebt man da die Hilfe Gottes?

Was ich sehr oft erlebe und auch von Geschwistern höre, das ist die Form der göttlichen Hilfe, die sich auf der emotionalen Ebene abspielt. Ein Beispiel: 2006 gab es einen Krieg. Es ist furchtbar, wenn Flugzeuge ihre Bomben abwerfen. Eine Schwester sagte zu mir: „Es war schrecklich, aber ich hatte trotzdem eine innere Ruhe.“ Sie war sicher, dass diese innere Ruhe auf die vielen Gebete für die Geschwister im Land zurückzuführen war.

Ich glaube, die meiste Hilfe erleben wir auf der emotionalen Ebene. Wenn man in einer sehr gefährlichen Situation ruhig ist, nicht in Panik gerät, dann ist das schon Hilfe von oben. Die Hilfe besteht nicht darin, vor jeder Gefahr sicher zu sein – dann wäre wohl jeder neuapostolisch oder ein Christ.

Welchen Status hat unsere Kirche in den Ländern Ihres Arbeitsbereichs?

Mit Ausnahme von Ägypten haben wir überall einen offiziellen Status, allerdings nicht unbedingt als Kirche. In der Türkei zum Beispiel sind wir als „New Apostolic Foundation“ zugelassen, also als Stiftung, im Libanon als „Liga der Mitglieder der Neuapostolischen Kirche in Libanon“. Als Kirche werden wir dort nicht zugelassen, denn sonst hätten wir das Recht auf einen Sitz im Parlament.

Christen können also in diesen Ländern ungehindert ihres Glaubens leben, ohne Angst vor Repressionen oder Übergriffen?

Ja, zurzeit ist es so. In Kairo waren wir eine Zeit lang vorsichtig, haben uns zum Beispiel nach dem Gottesdienst nicht draußen aufgehalten, sondern sind im Kirchenlokal geblieben und danach sofort alle nach Hause gegangen. Aber das ist vorbei. In den anderen Ländern habe ich noch nie Probleme wahrgenommen. Im Libanon sind sogar in der Verfassung Rechte für Christen festgelegt. Man fühlt sich als Christ keinesfalls diskriminiert.

Haben Sie einen besonderen Leitsatz, ein Lebensmotto?

Ich denke, man soll immer sehen, was man mit dem anderen gemeinsam hat, und nicht, was die Unterschiede sind. Man soll auf das Verbindende bauen, nicht auf das Trennende. Das erleben wir in schöner Weise im Libanon. Die Kirchen in Beirut haben sehr gute Beziehungen miteinander, wir unterstützen uns gegenseitig – wir sehen uns als Teile einer christlichen Familie.


Eine ausführlichere Version dieses Interviews in der Ausgabe 14/2016 der Zeitschrift „Unsere Familie“ zu lesen.

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